Zusatzaufträge immer nur vom Bauherrn annehmen!
Ein Handwerker sollte sich jede Zusatzleistung, die der Architekt verlangt, vom Auftraggeber absegnen lassen. Sonst guckt er bei der Bezahlung für diese Extra-Arbeiten in die Röhre.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Das aktuelle Baurecht
Das kommt regelmäßig im Alltag eines Bauhandwerkers vor: Ein Architekt beauftragt Änderungs- oder Zusatzleistungen, ohne dafür vom Auftraggeber eine Vollmacht zu haben. Am Ende ist der Handwerker der Dumme, weil er für seine zusätzlich erbrachten Leistungen keinen Werklohn bekommt.
So war es auch in dem Fall, den das Oberlandesgericht (OLG) Köln und anschließend der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte.
Der Fall
Bei einem VOB/-Bauvertrag ging es um die Errichtung eines Helikopterlandeplatzes auf dem Dach eines Hochhauses. Ein Architekt übernahm die Planung. Nach Abschluss des Projekts verlangte der Bauherr vom Bauunternehmen Abschlagzahlungen zurück, die er seiner Ansicht nach zu viel gezahlt hatte. Mehrmengen und geänderte Ausführungen von Schraubverbindungen habe er nicht anerkannt.
Die Baufirma erklärte, korrekt nach dem Leistungsverzeichnis abgerechnet zu haben, auch gemäß der VOB. Der Bauherr verklagte gleichzeitig Unternehmer und Architekt.
Das Urteil
Tatsächlich habe der Bauunternehmer mehr Material verbraucht als vertraglich vereinbart, entschied das OLG. Die Abweichung sei nicht als bloße Mehrmenge nach § 2 Abs. 3 VOB/B zu bewerten, sondern vielmehr als eigenmächtige Änderung. Nach § 2 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B werden Leistungen, die der Auftragnehmer ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Vertrag ausführt, nicht vergütet.
Nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 S.1 VOB/B steht dem Auftragnehmer ausnahmsweise eine Vergütung zu, wenn der Auftraggeber solche Leistung nachträglich anerkennt. Das war hier nicht der Fall und kommt sehr selten vor.
Blieb nur noch eine Möglichkeit für die Baufirma: Eine Vergütung steht dem Auftragnehmer nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 Satz 2 VOB/B auch dann zu, wenn die Leistungen für die Erfüllung des Vertrags technisch notwendig waren, dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprachen und ihm unverzüglich angezeigt wurden. Diese drei Voraussetzungen müssen zusammen vorliegen.
Was ist technisch notwendig? Was will der Bauherr?
Es genügt nicht, wenn der Auftragnehmer darlegt, dass die Leistung technisch notwendig war. Vielmehr muss diese Leistung auch dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprechen und ihm unverzüglich angezeigt werden.
"Die Leistung entspricht nur dann dem mutmaßlichen Willen, wenn es keine Alternative zu der technischen Leistung gab", betont Carsten Seeger, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Düsseldorf. "Bestanden jedoch andere technische Alternativen, so entspricht dies nicht dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers. Denn dann wurde in die Entscheidungshoheit des Auftraggebers eingegriffen, sich für eine unter Umständen preiswertere Leistung zu entscheiden."
Die dritte Bedingung war hier jedenfalls nicht erfüllt: Zwar hatte die Baufirma die Änderungen dem Architekten angezeigt. Das genügt nach Ansicht der Richter aber grundsätzlich nicht. "Diese Anzeige muss unverzüglich an den Auftraggeber erfolgen", erklärt der Fachanwalt. "Eine Anzeige allein an den Architekten reicht nicht aus." Die Anzeigepflicht habe den Zweck, den Auftraggeber über drohende Kostenerhöhungen zu informieren, damit dieser sich darauf einstellen und umdisponieren kann.
Praxistipp
"Auftragnehmer sollten auf keinen Fall den Worten eines Architekten vertrauen, dass die Leistung schon durch den Auftraggeber bezahlt wird", warnt Baurechtsanwalt Seeger, "das ist nicht der Fall. Viele Auftragnehmer wenden ein, dass sie ja ihre Leistung nicht aus eigenem Antrieb erbracht haben. Damit wird der Auftragnehmer vom Gericht nicht gehört!
Es gilt der Grundsatz: ohne Vereinbarung kein Geld! An diesen Grundsatz sollte man sich strikt halten und auch darüber nachdenken, wer eine solche Vereinbarung treffen kann. Dies kann nicht der Architekt sein, sondern nur der Auftraggeber selbst! Dies muss der Auftragnehmer unbedingt im Blick haben, wenn er kein Geld verlieren will."
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 16. April 2021, Az. 19 U 56/20; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. März 2023, Az. VII ZR 449/21, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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