Heimtextil 25/26: Textilien als verbindendes Element von Vergangenheit und Zukunft
Textilien sind viel mehr als nur Stoffe – sie erzählen Geschichten und sind tief in Geschichte und Kultur verankert. Unter der kuratorischen Leitung von Alcova wurden die Heimtextil-Trends als Ausblick auf die Heimtextil 2025 vorgestellt.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Messen für das Handwerk
Schon das Wort "Text" stammt vom lateinischen "texere", was "weben" bedeutet und zeigt, dass Textilien lange vor der Schrift als Ausdrucks- und Kommunikationsmittel dienten. Sie verknüpfen Erzählungen, verweben Handlungsstränge und sind seit Jahrtausenden ein zentraler Bestandteil unserer Technologie. Janis Jefferies, eine Pionierin der Textilforschung, macht im Interview zur Heimtextil 25/26 deutlich: Das Spinnen und Verweben von Fasern war die erste Technologie des Menschen und damit die Grundlage für Baukunst und Mathematik.
Heute stehen Textilien im Fokus einer neuen, nachhaltigen Denkweise: weg vom reinen "Recyceln, Reduzieren und Wiederverwenden" hin zu einer regenerativen Landwirtschaft und einem Vokabular, das von "Wiederherstellen, Erneuern und Auffüllen" spricht. Diese Entwicklung markiert einen tiefgreifenden Wandel im Nachhaltigkeitsdiskurs – hin zu einem ganzheitlichen Ansatz, der Textilien als Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft sieht.
Renaissance der Naturfasern und handwerklichen Traditionen
Foto: © Messe FrankfurtInmitten der schnelllebigen, digitalen Welt wächst eine Bewegung, die zurück zu den greifbaren, materiellen Aspekten des Lebens führt. Textilien spielen dabei eine zentrale Rolle: Sie verbinden Menschen mit ihrem kulturellen Erbe und schaffen durch ihre Haptik einen Kontrast zur virtuellen Existenz. In der derzeitigen Wegwerfkultur, die auf kurzlebige, oft unreparierbare Produkte setzt, stehen Textilien und Handwerkskunst für Authentizität, Nachhaltigkeit und echte Werte. Auch Ilse Crawford, renommierte Interior Designerin und Gründerin von StudioIlse, betont: In einer zunehmend digitalen und körperlosen Welt entsteht ein tiefes Bedürfnis nach physischer Verbundenheit.
Naturfasern wie Hanf, Jute, Flachs und Nessel erleben ein bemerkenswertes Comeback. Wegen ihrer Langlebigkeit und Behaglichkeit werden sie seit Jahrhunderten geschätzt. Christine Ladstätter, Managerin für Innovation bei Salewa, weist auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin: In den letzten Jahrzehnten hat sich ein Trend hin zu einer stärkeren Wertschätzung lokaler Materialien und Techniken entwickelt. Ihre Projekte betonen die wachsende Bedeutung des Handwerks. Der Fokus liegt auf der Förderung der lokalen Landwirtschaft und dem Erhalt traditioneller Weidelandschaften.
Zirkularität und Transparenz als Grundlage der Zukunft
Die Bedeutung von Sorgfalt und Weitsicht wird immer offensichtlicher – auch in der Textilindustrie. Der Sektor steht vor einem Wandel: hin zu einer nachhaltigen, vernetzten und transparenten Zukunft. Dirk Vantyghem, Generaldirektor von Euratex, hebt hervor, dass der Textilsektor in der EU derzeit mehr denn je im Mittelpunkt stehe – nicht zuletzt dank des Europäischen Green Deals. Das Bedürfnis nach langlebigen, funktionalen und nachhaltigen Produkten wächst. Viele Hersteller verwenden Begriffe wie "nachhaltig"oder "zirkulär" oft willkürlich. Daher setzt sich das Europäische Parlament für mehr Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette – und bekämpft dadurch Greenwashing und ermöglicht Verbraucherinnen und Verbrauchern fundiertere Kaufentscheidungen.
Simone van der Burg und Lucas Evers, beide Gruppenleiter im WAAG Future-Lab, betonen die Bedeutung einer offenen und mitgestaltenden Produktion. Ihr Ansatz zielt darauf ab, lokale Ressourcen wie Farben und Fasern aus natürlichen Quellen zu nutzen. Im Mittelpunkt steht dabei die Demokratisierung von Herstellungsprozessen: Designer und Kreative erhalten Zugang zu Open-Source-Werkzeugen und Ressourcen, um frei zu experimentieren – ohne hohe Kosten. Die italienische Designerin und Dozentin Eugenia Morpurgo fordert dazu auf, die landwirtschaftlichen Praktiken der Textilproduktion grundlegend zu überdenken und von erdölbasierten Materialien abzurücken. Sie warnt vor ökonomischen Modellen, die Wegwerfprodukte gegenüber langlebigen Alternativen bevorzugen. Ihr Projekt "Syntropic Materials" untersucht regenerative Landwirtschaft als nachhaltige Lösung für Textilien und Lebensmittel. Das Ziel ist es, die Bodengesundheit und die Biodiversität zu verbessern. Morpurgo betont, dass bei der Bewertung von Nachhaltigkeit die wahren Kosten – von Ressourcenverbrauch bis hin zu langfristiger Bodenfruchtbarkeit – berücksichtigt werden müssen.
Farben, die Geschichten erzählen
Von Naturally Uneven Green bis End of Petrol und Imperfect Pink – die Heimtextil-Trends 25/26 präsentieren eine visionäre Farbpalette, die Alcova sowohl visuell als auch sprachlich interpretiert hat. Inspiriert von den sechs Interviews, verweben die Farben die Ideen und Begriffe, die in den Gesprächen aufkamen. So erzählen sie eine lebendige Geschichte. Natürliche, ungebleichte Töne treffen auf dynamische, leuchtende Farben und spiegeln das Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation wider. Dieser Kontrast steht für ein aktives Gleichgewicht, das sich ständig weiterentwickelt – geprägt von Erneuerung, Wachstum und einer zukunftsweisenden Vision, die über bloße Nachhaltigkeit hinausgeht.
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Text:
Claudia Stemick /
handwerksblatt.de
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