Das 1897 in Bochum-Stiepel gestartete Familienunternehmen Reininghaus-Seifert GmbH vereinigt heute Tischlerei, Bestattungsinstitut und Restauration unter einem Dach. So ein Unternehmen mit drei Gewerken zu führen, bedeutet richtig viel Verantwortung. Und Tag und Nacht erreichbar zu sein, ist eine enorme Belastung. Deshalb gehen Vater und Tochter die Unternehmensnachfolge mit Bedacht und ohne Zeitdruck an.
"Die Übergabe erfolgt peu à peu, damit ich mich mit der Nachfolge nicht überfordert fühle", erzählt Nicole Seifert-Schüler, Bestattermeisterin, Tischlermeisterin und geprüfte Restauratorin im Tischlerhandwerk. Aktuell ist sie mit 30 Prozent am Unternehmen beteiligt. Der größere Anteil bleibt beim Vater Siegfried Seifert, damit sie erstmal ein Gefühl für die Sache bekommen und schrittweise in die neue Rolle als Inhaberin hineinwachsen kann. "Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie herausfordernd und belastend es ist, Bestattung, Tischlerei und Restauration zu führen", so der 63-Jährige. Außerdem sei seine Tochter damals noch sehr jung gewesen und er wolle erst einmal beobachten, wie gut sie sich als Geschäftsführerin schlage. "Für sie ist die Belastung nicht so groß und sie kann sich erstmal in Ruhe einarbeiten. Denn die Verantwortung für den Betrieb trage ich zum Großteil ja immer noch."
Unterstützung durch die Handwerkskammer
Bei der Planung der Betriebsübergabe wurden die Beiden auch durch die Handwerkskammer Dortmund unterstützt. "Dort hat man uns sehr gut weiter geholfen", sagt Seifert. Grundstücks- und Betriebsbewertungen seien durchgeführt worden, es gab Tipps zum Meister-BAföG. In etwa vier Jahren soll der nächste Schritt zur Übergabe erfolgen. Einen kleinen Firmenanteil wird der Vater aber auch dann behalten.
Dass Seifert-Schüler ins Handwerk will, wusste die 35-Jährige schon früh. Auch wenn der Vater ihrer Schwester und ihr immer gesagt habe, dass sie beruflich einmal das machen sollten, was ihnen gefalle und sie die Firma nicht übernehmen müssten. Als junges Mädchen beschloss sie, Tischlerin zu werden und als fünfte Generation in die Fußstapfen ihrer Vorfahren zu treten. Im Alter von 15 Jahren begann sie ihre Ausbildung im elterlichen Betrieb. "Das Tischlerhandwerk hat mir auch immer total Spaß gemacht", berichtet sie. Das Bestattungswesen habe sie damals allerdings eher als abschreckend empfunden, weshalb sie sich zunächst nicht habe vorstellen können, auch diesen Part des Betriebs zu übernehmen. Als sie aber ihre Oma, die auch als Bestatterin tätig war und keinen Führerschein besaß, zu Terminen begleitete, wuchs ihr Interesse auch für dieses Handwerk. Nach der Tischlerlehre folgte also die zweite Ausbildung. Parallel dazu machte sie ihren Meister im Tischlerhandwerk. Es folgten der Bestattungsmeister in Abendteilzeit sowie der Restaurator im Abendstudium. Mit dieser Kombination an Gewerken hatte Seifert-Schüler in Bochum ein Alleinstellungsmerkmal und sie war die erste Bestattermeisterin in Bochum.
Seit 2009 im väterlichen Unternehmen
Seit 2009, als Seifert-Schüler ihre Tätigkeit im Unternehmen ihres Vaters begann, versucht sie das Unternehmen nach ihren Vorstellungen zu formen und weiter voranzubringen. So wurden ein Anbau mit eigenen Verabschiedungsräumen und Trauerhalle realisiert sowie die Werkstatt vergrößert und modernisiert. Vor Corona lag ihr Augenmerk zudem auf der Öffentlichkeitsarbeit, um die Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben und Tod anzuregen. So wurden Themenwochen oder Tage der Offenen Tür veranstaltet und Kinder kamen zum Konfirmationsunterricht in den Betrieb. Aktuell gibt Seifert-Schüler einer Konfirmationsgruppe per Zoom Einblick in ihren Betrieb und steht anschließend für Fragen zur Verfügung. In der Tischlerei waren Kindergartenkinder zu Besuch: "Damit sie sehen können, wie man etwas mit den Händen in der Werkstatt herstellt." Denn Nachwuchs, so sagt sie, sei schwer zu finden. "Ich will definitiv, dass das Handwerk weiterlebt." Viele Bewerbungen um eine Ausbildung zum Tischler oder Bestatter erreichten sie zwar, aber die Abbruchrate sei vor allem in Bestattung hoch. "Viele unterschätzen es, was es bedeutet, rund um die Uhr erreichbar sein zu müssen", so die zweifache Mutter.
Wegen eines gutartigen Hirntumors, der 2014 während ihrer letzten Meisterausbildung diagnostiziert wurde, verbringt Seifert-Schüler nicht mehr allzu viel Arbeitszeit in der Tischlerei. Daher liegt ihr Haupteinsatzgebiet heute in der Bestattung. Tipps über Möglichkeiten zur Umgestaltung und Anpassung der Arbeitsplätze gab Günter Benning, Inklusionsberater bei der Handwerkskammer Dortmund. "Die Beratungen fanden immer auf Augenhöhe statt und die Zusammenarbeit der Handwerkskammer-Unternehmensberater, mit denen wir Kontakt hatten, lief Hand und Hand", loben Vater und Tochter. So konnten sie einen Zuschuss für die Anschaffung spezieller Werkbänke bekommen. Neben der Geschäftsführerin ist noch ein weiterer Mitarbeiter mit Schwerbehinderung im Unternehmen beschäftigt. Seit zwei Jahren vertritt Seifert-Schüler ehrenamtlich die Interessen der Arbeitgeber als Mitglied der HWK-Vollversammlung.
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Text:
Sarah Hanke /
handwerksblatt.de
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