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Erasmus+ ermöglicht jungen Menschen einen Auslandsaufenthalt in vielen Ländern Europas. Parlamentarier wie Petra Kammerevert möchten die Mittel für das EU-Programm ab 2021 deutlich aufstocken.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Berufserfahrung im Ausland sammeln
"Every cloud has a silver lining", sagt der Engländer. Dass in allem Schlechten auch etwas Gutes steckt, erfährt zurzeit aber eher der Rest Europas. "Seit dem Brexit stehen fast alle anderen Mitgliedsstaaten wieder stärker hinter der Europäischen Union", beruft sich Petra Kammerevert auf Zahlen von Eurostat. In Deutschland haben die Zustimmungswerte schon immer bei weit über 50 Prozent gelegen. Zurzeit seien es sogar mehr als 70 Prozent. Doch das kann sich auch schnell wieder ändern. "Es liegt in unserem Interesse, die EU zusammenzuhalten und sie weiterzuentwickeln. Die EU muss noch gerechter und solidarischer werden", erklärt die SPD-Politikerin, die seit 2009 dem Europäischen Parlament angehört und vor zwei Jahren den Vorsitz des Kultur- und Bildungsausschusses übernommen hat.
Herz und Verstand ansprechen
Wenn sie junge Menschen davon überzeugen will, appelliert sie zunächst an den Verstand. "Selbst als ökonomisch starkes Land sind wir wirtschaftspolitisch gegen Global Player wie die USA oder China alleine chancenlos." Doch sie weiß, dass Europa mehr als der viel beschworene Binnenmarkt ist. Neben dem Verstand muss auch das Herz angesprochen werden. Erasmus+ bietet dazu die Gelegenheit. "Das EU-Förderprogramm bringt junge Menschen aus ganz Europa zusammen. Während eines Auslandsaufenthalts erleben sie, was es bedeutet, in einem anderen Land zu arbeiten und zu leben." Viele kämen danach als begeisterte Europäer zurück. Neben länderübergreifenden Freundschaften seien so auch Partnerschaften entstanden. "Inzwischen haben wir eine Million Erasmus-Babys", sagt sie lachend. Mehr Völkerverständigung geht nicht.
Auslandspraktika lassen Azubis reifen
Auslandsaufenthalte helfen aber auch beruflich weiter. Für Auszubildende, die nur drei bis vier Wochen ins Ausland gehen, sei dies eine ganz tolle Erfahrung. "Sie kehren motivierter, selbstständiger und voller neuer Ideen für das Unternehmen zurück." Petra Kammerevert rät allen Ausbildungsbetrieben, ihre Lehrlinge zu mobilisieren. Den Kammern dankt sie dafür, dass sie ihre Mitglieder dabei bereits unterstützen. Dass nun auch Azubis an Berufsschulen oder auf Ausbildungsmessen für Erasmus+ werben, findet sie wunderbar. "Die EuroApprentice können anderen Lehrlingen die Angst vor einem Auslandspraktikum nehmen und sie etwa davon überzeugen, dass sie die Landessprache nicht perfekt beherrschen müssen, um dort zurechtzukommen."
Mehr Auslandspraktika in der Berufsausbildung
Ein Auslandssemester gehört bei Studierenden fast zum Pflichtprogramm. "Wir müssen also bekannter machen, dass sich Erasmus+ auch an Auszubildende richtet", meint Petra Kammerevert. Zurzeit sind etwas mehr als sechs Prozent der Lehrlinge jenseits der deutschen Grenze unterwegs. Mindestens zehn Prozent sollten es nach dem Willen des Bundestages bis 2020 sein. Diese Zielmarke hatte er im Jahr 2013 ausgegeben. In der Kürze der Zeit dürfte sie aber kaum noch zu erreichen sein.
Um die Quote insgesamt zu erhöhen, ist für die neue Förderperiode ab 2021 geplant, die Schulen stärker einzubinden. Doch dafür muss erheblich mehr Geld her. "Das Europaparlament fordert eine Verdreifachung der bisherigen Mittel. Die Kommission will sie nur verdoppeln", erklärt die Europaparlamentarierin. Ob es 41 oder 26 Milliarden Euro werden, wird sich im Herbst zeigen. Dann legt der Rat – das heißt die nationalen Regierungen – seine mittelfristige Finanzplanung vor. Müsste er Petra Kammerevert einen Wunsch erfüllen, dürfte es richtig kostspielig werden. Sie träumt davon, dass in Zukunft jeder junge Mensch in der Europäischen Union eine Auslandserfahrung machen kann. "Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg."
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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