So kreativ ist Dublin
Irland hat mehr zu bieten als grüne Wiesen und dunkles Bier. Ob Schmuck, Möbel oder Mode – die Kreativ-Szene drängt aus ihrer Nische.
Quirlig ist die Stadt, und sie quillt über vor Ideen. An allen Ecken und Enden locken Cafés, die sich bei genauerer Betrachtung auch als Möbelhaus oder Boutique oder Grafikbüro oder alles zugleich entpuppen. "Indigo & Cloth" im Kreativ-Viertel Temple Bar ist so ein Beispiel. Im Erdgeschoss wird Kaffee oder Tee aufgebrüht und frisches Gebäck verkauft. Der modisch interessierte Mann kann hier zudem Ledergürtel, Taschen, exquisite Schreibwaren, Schokolade mit langsam gerösteten Mandeln oder Salz sowie Kerzen, die nach Torf riechen, kaufen. Auf der ersten Etage findet er Mode der gehobenen Preisklasse. Gefragte Markenartikel hängen neben exklusiven Produkten von der Insel. Selten sah man Irlands Markenzeichen Wolle und Tweed zu so angesagten Stücken verarbeitet.
Design Made in Dublin
In der obersten Etage verbirgt sich ein Studio, in dem eine Handvoll Grafiker an der stilvollen Verpackung von irischem Whisky, dem Layout eines Modemagazins oder an Unternehmenswebsites tüftelt. Auch einen Stuhl und einen Zeitungsständer haben die Kreativen schon entworfen und vertreiben sie jetzt. Garret Pitcher, Gründer von Indigo & Cloth, nennt dieses bunte Sammelsurium ein "agiles, auf Design konzentriertes Lifestyle-Unternehmen". Festlegen auf eine einzige Sache war gestern, dafür liegt Zusammenarbeit im Trend: Für einzelne Projekte haben Pitcher und sein Team schon mit Sattlern, Möbelbauern und Illustratoren kollaboriert.
John Shevlin, der Hutmacher von Temple-Bar
Auf Teamwork setzen auch die kreativen Macher, die im Cow’s Lane Designer Studio, ebenfalls in Temple-Bar, gemeinsam ihre Produkte anbieten. Besucher finden grafische Postkarten, bedruckte T-Shirts, Deko-Artikel aus Holz oder Keramik, Mützen, Handschuhe, Kleider, Schmuck und, und, und. Auch Hutmacher John Shevlin verkauft hier seine Modelle. Schon Johns Vater war Hutmacher. Von der alten Fabrik ist nur noch eine Maschine aus dem 16. Jahrhundert übrig geblieben, die Shevlin heute alleine bedient, denn Mitarbeiter beschäftigt er keine mehr. Er sei einer der wenigen Hutmacher, der bezahlbare Stücke für Herren und Damen fertige, die diese tagtäglich tragen könnten und nicht nur zum Pferderennen, betont er. "Wir sind die einzigen in Irland, die auch Panamahüte herstellen", erklärt er stolz. 120 Euro kostet so ein handgemachtes Stück.
Immer etwas Neues entdecken in Cow's Lane Designer Studio
Johns "Shop-Kollegin" Deirdra Griffin hat sich auf Glasschmuck spezialisiert. Für ihre Anhänger erhitzt sie verschiedenfarbige Glasstücke und fügt sie zu Mustern oder kleinen Landschaften zusammen. Glasfusing nennt sich die Technik. "Jedes Stück erzählt eine eigene Geschichte", sagt Griffin. Inspiration holt sie sich aus der Natur. Mehr als fünfzehn Kreative bieten im Cow’s Lane Design Studio ihre Möbel, Keramiken, Bilder oder Mode an. Kein Wunder, dass sich in dem liebevoll ausgestatteten, kleinen Laden immer wieder etwas Neues entdecken lässt.
Die St. Andrew's Church als "National Design Centre"
Irland hat in jüngster Zeit einige Anstrengungen unternommen, um die heimische Kreativ-Szene über die Grenzen des Landes hinweg bekannter zu machen. Programme und Ausstellungen, sogar ein Jahr des irischen Designs wurden 2015 initiiert. Irische Designer erhielten dabei die Möglichkeit, ihre Stücke in Kreativ-Hochburgen wie London, Paris, Mailand, New York und Hong Kong auszustellen. Höhepunkt soll die Eröffnung der St. Andrew’s Church auf der Suffolk Street in Dublin als "National Design Centre" im Frühjahr 2016 sein. Ausstellungen von irischen und internationalen Designern sollen hier künftig über 300.000 Besucher pro Jahr begeistern. Darüber hinaus sollen in dem "Centre" aufstrebende Kreative aus- und weitergebildet und Design-Start-ups unterstützt werden. Irland, das die Wirtschaftskrise erstaunlich gut überwunden hat, erhofft sich von der Investition in die Kreativwirtschaft etwa 1.800 neue Jobs.
Mode – von Dublin nach Hollywood
Zu den bereits etablierten Stars der Branche gehören die Mode-Designerinnen Louise Kennedy und Jennifer Rothwell. Letztere stützt die irische Wirtschaft, indem sie die Kleider ihrer Kollektionen ausschließlich von Näherinnen aus Irland fertigen lässt. 2014 hat Rothwell eine Boutique im Dubliner Powerscourt Townhouse Centre eröffnet, in der sich ausgewählte Stücke ihrer sehr femininen Mode erstehen lassen. Die Liebe der gebürtigen New Yorkerin zu ihrer Wahlheimat Dublin ist so groß, dass sie für eine ihrer bekanntesten Kollektionen die beeindruckenden Glasbilder des Dubliner Künstlers und Buchillustrators Harry Clarke (1889-1931) als Grundlage nahm. Eines der aufwändig bedruckten Seidenkleider schaffte es bis zur Oscar-Verleihung: Liselotte Olofsson, Ehefrau des Oscar-nominierten Filmemachers Tomm Moore, führte das ärmellose, lange Abendkleid 2015 über den roten Teppich.
Fotos: © Indigo & Cloth, © Shevlin Millinery, © National Design Centre, © Jennifer Rothwell; Text: Melanie Dorda
Übernachtung
Das Design-Hotel The Marker liegt mitten in den schicken Docklands, in direkter Nähe anderer moderner Prachtbauten von Unternehmen wie Google, Facebook und LinkedIn. Wer lieber in direkter Nähe der Dubliner Altstadt übernachten möchte, nur einen Katzensprung von Temple Bar entfernt, kann das noble Morrison Hotel buchen.
Führungen
Boutiquen, in denen Nachwuchs-Designer ihre Kreationen anbieten wie das "Om Diva" oder exklusive Parfümerien wie das Parfummarija, mit Düften, die eher Kunstwerken gleichen und von sterbenden russischen Dichtern inspiriert wurden, findet der Dublin-Besucher nicht auf Anhieb. Das Stadtmagazin Le Cool Dublin bietet deshalb alternative Touren durch die Stadt an. Kenner der Szene wie die Vintage-Ikone, Autorin und Stylistin Irene O’Brien führen in Läden, die echte Entdeckungen sind.
Text:
Melanie Dorda /
handwerksblatt.de
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