(Foto: © Zürich Tourism)

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Dada ist gaga

Zürich ist die Geburtsstadt des Dada. Doch anders als im übrigen Europa trafen hier Literaten, bildende Künstler und Künstler aus Tanz und Kunstgewerbe als aberwitziger Gemischtwarenladen aufeinander.

Großer Zunftsaal des Zunfhaues zur Waag. Hier fand die erste Dada-Soireé in einem Zunfthaus statt./Foto: Zürich Tourism Großer Zunftsaal des Zunfhaues zur Waag. Hier fand die erste Dada-Soireé in einem Zunfthaus statt./Foto: Zürich Tourism Das Café Terrasse ist ein Dada-Schauplatz in Zürich und bis heute geöffnet./Zürich Tourism / Elisabeth Real Das Café Terrasse ist ein Dada-Schauplatz in Zürich und bis heute geöffnet./Zürich Tourism / Elisabeth Real Das Cabaret Voltaire kehrte im Jahr 2004 zu den dadaistsichen Wurzeln zurück./Zürich Tourism / Fabian Frinzel Das Cabaret Voltaire kehrte im Jahr 2004 zu den dadaistsichen Wurzeln zurück./Zürich Tourism / Fabian Frinzel Hugo Ball, Mitbegruender des Dadaismus, als Hugo Ball, Mitbegruender des Dadaismus, als

Jolifanto bambal o falli bambla, grossiga m’pfa habla horem, égiga goramen, higo bloiko russula huji, hollaka, hollala (...)." Sie finden, die "Karawane" von Hugo Ball klingt verrückt, sinnlos und völlig gaga? Herzlichen Glückwunsch. Sie haben den Sinn oder Unsinn von Dada auf Anhieb erfasst. Schon möglich, dass Hugo Ball, Emmy Hennings, Marcel Janco, Richard Huelsenbeck, Hans (Jean) Arp oder Sophie Taeuber-Arp darüber jetzt vor purer Freude wilde Purzelbäume und übermütige Tänze im Dada-Himmel aufführen. Denn einhundert Jahre nach Gründung der Kunstbewegung spaltet Dada immer noch die Gemüter.

Und genau das war es, was die Gründungsmitglieder am 5. Februar 1916 in der Spiegelgasse 1 im Cabaret Voltaire erreichen wollten, als sie Dada aus der Taufe hoben. Dada war provokant, erfinderisch, unangepasst. Die in Zürich lebenden Emigranten aus Deutschland, Frankreich oder Rumänien hebelten die Sprache aus ihren Fugen und verließen polternd und für alle braven Züricher Bürger sichtbar den Rahmen der bestehenden Kunstformen.

So war es in jenen Tagen möglich, dass Dadaisten die Türe eines Cafés aufrissen, lauthals "Dada" brüllten, die Türe wieder zuschlugen und einige verdutzte Caféhausbesucher zurückließen. Vor allem aber protestieren die Künstler und Intellektuellen mit Nonsens, Witz und Ironie gegen den in Europa wütenden 1. Weltkrieg.

"Dada ist nichts und Dada ist alles", möchte Barbara Dörig bei einem Rundgang zu den Schauplätzen diese absurd wirkende Kunstrichtung erfassbar machen. "Wir haben vergessen, dass aus dieser Avantgarde wichtige internationale Kunstrichtungen wie der Surrealismus, der Punk, Fluxus, die Pop-Art oder der Poetry Slam entstanden", erzählt die Züricher Stadtführerin vor dem Eingang des Cabaret Voltaire.

Das Haus kehrte im Jahr 2004 nach einer wechselvollen Geschichte zu seinen Ursprüngen zurück. Im Jubiläumsjahr erinnert Adrian Notz seit Februar und noch bis zum 18. Juli jeden Tag an einen der 165 Dada-Künstler. Wer die Offizien sehen möchte, muss früh aus den Federn. "Wir beginnen um 6.30 Uhr, jede andere Zeit wäre nicht im Sinne des Dada gewesen", erzählt der Direktor gelassen, dass man bei dieser Kunstform schon mal gegen die eigene Natur arbeiten muss.

Über die Entstehung des Namens "Dada" ranken einige kuriose Geschichten. "Praktisch will es jeder gewesen sein", ist Barbara Dörig bei ihrer Recherche zur neuen Dada-Stadtführung auf einige Anekdoten gestoßen. "Wahrscheinlich waren es Hugo Ball und Richard Huelsenbeck, die das Wort 'Da‘ im Wörterbuch entdeckt haben. Es entspricht dem russischen 'Da‘ (Ja)." 

Oder war es doch Tristan Tzara? Arp, Senner und Tzara schreiben gerade an ihrem Kollektivgedicht "Die Hyperbel vom Krokodilcoiffeur und dem Spazierstock". Dabei halten sie schriftlich fest: "Ich erkläre, dass Tristan Tzara das Wort Dada am 8. Februar 1916 um 6 Uhr abends eingefallen ist (...). Dies ereignete sich im Café de la Terrasse zu Zürich, und ich trug gerade eine Brioche im linken Nasenloch. Ich bin überzeugt, dass dieses Wort gänzlich unbedeutend ist und dass sich nur Schwachsinnige und spanische Professoren für nähere Angaben interessieren." (Arp: Bulletin Dada Nr. 6, 1920).

Nach den Soireen im Cabaret Voltaire ziehen die Dadaisten durch die Züricher Zunfthäuser. Im Zunfthaus zur Waag findet am 14. Juli 1916 die erste Dada-Soiree statt. Den rund 400 Zuhörern erklärt Hugo Ball die Kernidee des Dada so: "Wie erlangt man die ewige Seligkeit? Indem man Dada sagt. Wie wird man berühmt? Indem man Dada sagt. Mit edlem Gustus und feinem Anstand. Bis zum Irrsinn, bis zur Bewusstlosigkeit." (Ball: Manifest, 1916). "Zwischen Hauptgang und Dessert werden wir am 14. Juli an diese Dada-Soiree in unserem Haus zurückdenken", entpuppt sich Sepp Wimmer als wahrer Dada-Fan. "Vielleicht beginnen wir auch schon mit dem Aperitif etwa um 20 Uhr", überlegt er kurz.

"Es wird Wein aus einem Brunnen geben und in Gedenken an Hugo Ball werden wir Bälle zum Fenster des Zunfthauses werfen. Alles ist Dada", verspricht der Zunftwirt mit einem Augenzwinkern. Die Schaumstoff-Bälle habe ich übrigens in gelb in Deutschland bestellt. Jetzt kläre ich ab, ob ich Hugo drauf drucken kann. Dann haben die Gäste noch ein "Andenken".

HandwerkJe bedeutender das Durcheinander von Dada wurde, umso mehr gerieten die Gründer über Ziel und Zweck in Streit. Viele wenden sich dem Surrealismus zu. Ab 1919 wird es in Zürich um den Dada still. Auf die Frage, was von Dada bleiben wird, antwortet der surrealistische Dichter Robert Desnos 1924 im hypnotischen Schlaf: "Nichts als Bananen." Wer jedoch über das Jubiläum hinaus nach Zürich kommt, wird schnell spüren, dass in der Geburtsstadt des Dada der wilde, unangepasste Geist der Dadaisten noch da oder da recht lebendig ist.

Das Lautgedicht "Karawane" von Hugo Ball steht bis heute auf dem Stundenplan der Schweizer Schulen. Hugo Ball, Schriftsteller und Mitbegründer des Dadaismus trat bei diesem Vortrag des Gedichts, wahrscheinlich im Juni 1916, wie bei all seinen Darbietungen als  "magischer Bischof" seiner "Verse ohne Worte" im kubistischem Kostüm auf. (siehe Foto oben).
Fotos: Zürich Tourism/Fabian Frinzel/Elisabeth Real

Reiseinfos

Auskunft über Unterkunft, Anreise und Veranstaltung Dada erteilt myswitzerland.com

Swiss International Air Lines fliegt von vielen deutschen Flughäfen mehrmals täglich nach Zürich ab 89 Euro.
swiss.com

Das Hotel Limmatblick steht seit der Gründung im Zeichen des Dada. Sitzen Sie abends in der Dada-Bar und lernen Sie noch mehr über die Geschichte kennen und "wojederdadaistoderwerdenkann", DZ ab 210 Chf, (circa 194 Euro)
limmatblick.ch

Central Plaza Hotel, DZ ab 296 Chf, (circa 270 Euro) central.ch

Text: / handwerksblatt.de

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