Welche Rahmenbedingungen setzt die Politik für den Mittelstand?
Politiker verschiedener Parteien diskutierten beim UVH-Unternehmertag über handwerkspolitische Themen.
Angesichts des Leids, das der Krieg in der Ukraine verursache, sei es nicht einfach, den Blick auf die nordrhein-westfälische Landtagswahl zu richten. Gleichwohl sei diese Wahl wichtig für das Handwerk im Land, sagte Hans-Joachim Hering beim diesjährigen Unternehmertag des Unternehmerverbands Handwerk NRW (UVH). Viele Betriebe fragten sich, welche Ziele sich die Parteien bei wichtigen Fragen zu Themen wie Bürokratieabbau, Fachkräftemangel, Digitalisierung oder Energiewende setzen. Um solche Fragen zu diskutieren, hat der UVH vier Politiker aus unterschiedlichen Parteien eingeladen: Matthias Goeken (CDU), André Stinka (SPD), Dietmar Brockes (FDP) und Roland Schüren (Grüne).
"Handwerk braucht die besten Rahmenbedingungen"
UVH-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Wackers, André Stinka, Roland Schüren, Matthias Goeken, UVH-Vizepräsident Heribert Kamm, Dietmar Brockes, Andreas Ehlert und Hans-Joachim Hering (v. l.) beim Unternehmertag in Düsseldorf. Foto: © UVHBevor sie zu Wort kamen, sprach Andreas Ehlert, Präsident von Handwerk.NRW, im Anschluss an einer Videogrußbotschaft des Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) über die Erwartungen des Handwerks. Er pochte auf eine "echte Gerechtigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung", auch um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Wichtig sei das auch für die Klimawende, denn sie seien, die sie am Ende in die Praxis umsetzen. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz seien nur zusammen mit dem Handwerk denkbar. Er forderte "beste Rahmenbedingen für Aufschwung und Wachstum im Mittelstand" und eine "gute und leistungsfähige Infrastruktur" auch für kleine und mittlere Betriebe.
Das sagt André Stinka:
Für André Stinka steht hinsichtlich der derzeitigen Energiekrise der schnelle Ausbau von erneuerbaren Energien im Vordergrund, um Abhängigkeiten zu reduzieren. Energieintensive Betriebe, die es auch im Handwerk gebe, bräuchten hier besondere Entlastungen. Die Politik müsse die Schlüsseltechnologie Energieeffizienz vorantreiben, das Handwerk sei dafür ein wichtiger Partner. "Berufsschulen müssen ausgebaut werden. Deswegen schlagen wir ein Projekt 'Gute Berufsschule 2030' vor." Azubiwohnheime könnten zudem zur Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung beitragen. Hinsichtlich des Lehrermangels an Berufsschulen müssten die Möglichkeiten für Quereinsteiger und die Rahmenbedingungen für die Lehrer verbessert werden, um zu verhindern, dass sie aus dem Beruf aussteigen. Durch eine Ausbildungsplatzabgabe beziehungsweise -umlage sollen "diejenigen, die über Gebühr ausbilden" besonders hervorheben wollen. "Wir haben die Situation, dass der eine oder andere nicht ausbildet und sich nachher beklagt, dass es einen Engpass bei den Fachkräften gibt." Deswegen sei das notwendig.
Das sagt Dietmar Brockes:
Dietmar Brockes rechnet mit nachhaltigen Veränderungen auch infolge des Krieges in der Ukraine. Kurz- wie langfristig müssten nun Alternativen zu Importen aus Russland gefunden werden. Auch er setzt auf einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit Blick auf den Fachkräftemangel will Brockes eine "gezielte Fachkräftezuwanderung" unterstützen. Für Schüler müsse es wieder mehr Möglichkeiten geben, Handwerksberufe kennenzulernen, durch Corona gab es hier große Einschränkungen. Für die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung wolle die FDP eine rechtliche Grundlage in der Landesverfassung schaffen. Ein wesentliches Thema für die kommende Legislaturperiode sei auch die Stärkung der Schulen, damit die Schüler mit einer besseren Vorqualifikation in die Berufsausbildung starten können. Eine Ausbildungsplatzabgabe lehnt er ab. Das würde zu zusätzlicher Bürokratie führen.
Das sagt Roland Schüren:
"Die Lösung für alle ist wirklich die massive Beschleunigung beim Ausbau der Erneuerbaren", sagte Roland Schüren. Er ermutigte die politisch Verantwortlichen, besonders an die dezentrale Energieerzeugung zu denken. "Das Wissen ist da und die Technik ist da. Es fehlen eigentlich nur die richtigen Regularien, damit das schnell umgesetzt werden kann." Für die Fachkräftesicherung wünscht er sich ganzheitliche Lösungen. "Wir müssen die Hinzuverdienstgrößen für Arbeitslose und Frührentner deutlich erhöhen, damit die mehr arbeiten dürfen. Da gibt es einige, die wollen das.“ Insgesamt müsse der Faktor Arbeit entlastet und im Gegenzug der Faktor Kapital mehr belastet werden. "Eine Reduzierung der Personalkosten in diesem administrativem Sozialversicherungs- und Steuerbereich tut uns allen gut." Die Ausbildungsabgabe dürfe nicht kommen. "Wieso soll ich einen Betrieb dafür bestrafen, dass er keine Auszubildenden findet."
Das sagt Matthias Goeken:
Für den Ausbau erneuerbarer Energien müssten auch die Netze entsprechend verbessert werden, betonte Matthias Goeken. Es brauche allgemein mehr Verlässlichkeit, im Speziellen zum Beispiel bei den Regeln für Photovoltaikanlagen und den Eigenstromverbrauch. Zudem müssten Planungsverfahren beschleunigt werden, damit bei der Umsetzung auch die neuste Technik zum Einsatz kommen kann. "Fachkräfte bekommen wir nicht aus dem Ausland", so Goeken. Denn sie würden nur in drei Ländern in Europa so ausgebildet, dass sie in Deutschland arbeiten können. Die Kinder hierzulande sollten vom Kindergarten an in Berührung mit dem Handwerk kommen. Die Berufsschulen müssten reformiert werden, um alle Schüler mitzunehmen – egal, welche Eingangsvoraussetzungen sie haben. Damit dort genug qualifiziertes Personal zur Verfügung steht, müsse man darüber nachdenken, Handwerksmeister unterrichten zu lassen. Eine Ausbildungsplatzabgabe hält er nicht für sinnvoll.
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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