DIN, Iso

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Normen sind keine Gesetze

Betriebsführung

Für die meisten Unternehmer ist die Frage sehr verwirrend: Muss ich mich an Normen genauso halten wie an Gesetze? Antwort: Nein, aber wer sich nach ihnen richtet, handelt im eigenen Interesse.

Zuerst einmal gilt: Die Einhaltung von Gesetzen ist Pflicht, die Beachtung von Normen ist hingegen freiwillig. Kein Handwerker ist also rechtlich verpflichtet, Normen anzuwenden oder einzuhalten. Oder wie es der Bundesgerichtshof, das höchste deutsche Zivilgericht, formuliert: "DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter." (BGH, Az.: VII ZR 184/97)

Das klingt eher unverbindlich, aber trotzdem haben Normen einen großen Einfluss auf die Rechtslage: Bindend werden sie immer dann, wenn der Gesetzgeber ihre Einhaltung zwingend vorschreibt oder in Verträgen zwischen Parteien auf Normen Bezug genommen wird. 

Auch die VOB ist kein Gesetz

Das ist in erster Linie im Baurecht der Fall, zum Beispiel bei der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB). Sie wird oft irrtümlich für ein Gesetz gehalten. Ihr Teil B regelt die allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführungen von Bauleistungen, im Teil C befinden sich die allgemeinen technischen Vertragsbedingungen. Die VOB findet nur Anwendung, wenn die Beteiligten es vereinbart haben. 

Ein weiteres Anwendungsgebiet von Normen: Wenn etwas schiefläuft und es Streit gibt, dienen sie als Entscheidungshilfe dafür, ob korrekt gearbeitet wurde. Etwa, wenn es bei einem Werkvertrag um Sachmängel geht. Die Frage, ob das Werk einen Fehler aufweist, wird unter anderem mithilfe der einschlägigen Normen geklärt.

Normen sind nicht verpflichtend

Die Norm setzt fest, wie ein Werk nach Meinung der Fachwelt aussehen sollte. Sie ist also der Maßstab für die verkehrsübliche Beschaffenheit. Wer sich an die Norm gehalten hat, kann den "Beweis des ersten Anscheins" führen, dass seine Arbeit sorgfältig war. 

Es gibt allerdings keine Pflicht, sich an die einschlägigen Normen zu halten. Wenn diese aber nicht eingehalten wurden, muss der Hersteller nachweisen, dass sein Werk trotzdem die mit dem Kunden vereinbarten oder üblichen fachlichen Anforderungen erfüllt. Kann er das nicht, hat der Kunde die gesetzlichen Ansprüche auf Gewährleistung.

Eine gewisse Rechtssicherheit

Normen sind also Empfehlungen, deren Einhaltung für Unternehmer zumindest eine gewisse Rechtssicherheit darstellt. Aber Achtung: Es gibt auch Fälle, in denen der Handwerker die einschlägigen Normen eingehalten hat, sein Werk aber trotzdem fehlerhaft war. 

Umgekehrt kann aber auch eine von der DIN abweichende Ausführung fehlerlos sein. Das zeigt ein Praxisfall: Ein Fliesenleger hatte das Badezimmer eines Wohnhauses gefliest. Der Kunde bemängelte, dass die Schichtdicke der Verbundabdichtung zu gering und das Werk damit fehlerhaft sei. Der Fliesenleger hielt dagegen seine Leistung für mangelfrei, da er sich an die Merkblätter des Zentralverbandes des Deutschen Bauhandwerks (ZDB) gehalten habe. Danach sei im Bad einer solchen Privatwohnung überhaupt keine Verbundabdichtung erforderlich. 

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Handwerker bekam Recht

Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden gab in diesem Punkt dem Handwerker Recht. Zwar sah die zum Zeitpunkt der Leistung im Jahr 1998 geltende DIN-Regelung durchaus eine Verbundabdichtung in Badezimmern vor. Insoweit wich die Ausführung also von der damals maßgeblichen DIN ab. Dies sei aber für die Beurteilung, ob ein Mangel vorlege, nicht entscheidend, erklärten die Richter. Denn Maßstab für das Vorliegen eines Mangels seien die anerkannten Regeln der Technik, die tatsächlich auch von den geltenden DIN abweichen können. Die 1998 geltenden Norm seien bereits technisch überholt gewesen und in der Praxis immer mehr durch die ZDB-Merkblätter verdrängt worden. Der Verstoß gegen die DIN-Norm war also nicht maßgeblich, weil die Leistung den anerkannten Regeln der Technik entsprach und dementsprechend fehlerfrei war. Der Handwerker siegte. (Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 24. September 2009, Az.: 9 U 1430/08) 

Hier taucht ein Begriff auf, den die Gerichte in Bausachen regelmäßig verwenden: Die "anerkannten Regeln der Technik". Darunter verstehen sie "die Summe der im Bauwesen anerkannten wissenschaftlichen, technischen und handwerklichen Erfahrungen, die durchweg bekannt und als richtig und notwendig anerkannt sind". 

Nicht nur auf die Normen setzen

Die anerkannten Regeln der Technik sind nicht gleichzusetzen mit den DIN-Normen. Sie können davon abweichen und auch über die Anforderungen der DIN-Regeln deutlich hinausgehen. Dies war beispielsweise lange Zeit im Bereich des Schallschutzes der Fall. Die DIN 4109 aus dem Jahr 1962 entsprach schon lange vor der Neufassung 1989 nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik. Es ist also riskant, sich allein auf die DIN-Normen zu verlassen. "Jeder Bauhandwerker sollte sich kontinuierlich fortbilden und sich über Zeitschriften der Fachverbände auf dem Laufenden halten", rät daher Torsten Bork, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht bei der Kölner Anwaltskanzlei Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner.

Text: / handwerksblatt.de

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