Wie lässt sich die Generation Z für das Handwerk begeistern? Darum ging es beim UVH-NRW-Unternehmertag in den Räumen der Handwerkskammer Düsseldorf.

Das Handwerk muss es schaffen, die Generation Z für sich zu begeistern. Und dazu braucht es kreative Ideen, aber auch die Unterstützung der Politik, der Schulen und der Eltern. Das war Thema beim UVH-NRW-Unternehmertag in den Räumen der Handwerkskammer Düsseldorf. (Foto: © gpointstudio/123RF.com)

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Heidmeier: "Es ist die Zeit der beruflichen Bildung"

NRW könnte bald die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung festschreiben. Was muss noch passieren, damit sich Jugendliche - auch an Gymnasien - für das Handwerk begeistern? Das war Thema beim Unternehmertag des UVH NRW

Die Fachkräftegewinnung und -sicherung ist im Handwerk die wahrscheinlich größte Herausforderung der Zukunft. "Die Situation spitzt sich aufgrund der demografischen Entwicklung drastisch zu. Bundesweit fehlen bereits 250.000 Fachkräfte im Handwerk. Tendenz steigend", sagte Rüdiger Otto, Präsident des Unternehmerverbandes Handwerk NRW (UVH) beim UVH-Unternehmertag in Düsseldorf.

Rüdiger Otto, Präsident des Unternehmerverbandes Handwerk NRW (UVH), Staatssekretär Matthias Heidmeier vom Arbeitsministerium NRW, UVH-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Wackers und Bianca Cristal von der Bundesagentur für Arbeit (v. l.) beim UVH-Unternehmertag. Foto: © Wilfried Meyer / UVH NRWRüdiger Otto, Präsident des Unternehmerverbandes Handwerk NRW (UVH), Staatssekretär Matthias Heidmeier vom Arbeitsministerium NRW, UVH-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Wackers und Bianca Cristal von der Bundesagentur für Arbeit (v. l.) beim UVH-Unternehmertag. Foto: © Wilfried Meyer / UVH NRW

Der Fachkräftemangel ziehe sich durch alle Gewerke des Handwerks. "Besonders viele Fachkräfte fehlen aber in den Bauberufen", so Otto. Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland bis 2040 rund 43 Millionen Wohnungen komplett klimaneutral werden sollen, sei das ein echtes Problem. Denn gleichzeitig entscheiden sich mehr als die Hälfte aller Schulabgängerinnen und Schulabgänger in Deutschland für das Abitur und ein anschließendes Studium.

"Was ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten bei der beruflichen Bildung an den Schulen schiefgelaufen, warum fühlen sich junge Menschen vor allem auf den Gymnasien nicht vom Handwerk angesprochen und wie kann man das überholte Bild des Handwerks endlich revidieren?", fragte der UVH-Präsident.

Entlastung der Ausbildungsbetriebe

Darüber diskutierten Handwerksunternehmerinnen und -unternehmer sowie Vertreter verschiedener Handwerksorganisationen mit Staatssekretär Matthias Heidmeier vom Arbeitsministerium NRW, mit Bianca Cristal, Geschäftsführerin Arbeitsmarktmanagement bei der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit, und mit Bildungsexperten.

Viele Betriebe hätten inzwischen selbst kreative Ideen entwickelt, wie sie Auszubildende und Fachkräfte begeistern, so Otto. Von der Landes- und Bundespolitik erwartet das Handwerk aber mehr Unterstützung, etwa in Form einer Entlastung der Ausbildungsbetriebe und mehr attraktive Angebote für Auszubildende – zum Beispiel ein Azubi-Ticket oder Azubi-Wohneinrichtungen. "Außerdem braucht es eine flächendeckende Berufsorientierung an allen allgemeinbildenden Schulen, ganz besonders auch an Gymnasien".

2.500 Euro für jede bestanden Meisterprüfung

Foto: © Wilfried Meyer / UVH NRWFoto: © Wilfried Meyer / UVH NRW

Die Landesregierung hat im Rahmen ihrer Fachkräfteoffensive bereits zwei für das Handwerk wichtige Schritte in die Wege geleitet. Ab Mitte 2023 gibt es für jede bestandene Meisterprüfung im Handwerk 2.500 Euro.

"11,5 Millionen Euro stehen dafür jährlich zur Verfügung. Damit haben wir ein Ausrufezeichen für das Handwerk gesetzt", sagte Staatssekretär Matthias Heidmeier vom Arbeitsministerium NRW.

Außerdem werde die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung, kurz ÜLU, ab 2023 durch die Drittelfinanzierung stärker gefördert. Das Land, der Bund und die Betriebe werden die förderfähigen Kosten für die ÜLU künftig zu je einem Drittel tragen.

Als weiteren "Meilenstein" im Rahmen der "Fachkräfteoffensive NRW" kündigte Heidmeier eine Kabinettsvorlage an, die im Mai öffentlichkeitswirksam vorgestellt werden soll.

Für die Fachkräftesicherung gebe es mehrere Schwerpunktthemen, so der Staatssekretär. Zum einen brauche es für die Anwerbung ausländischer Fachkräfte eine Willkommenskultur und weniger Bürokratie. Darüber hinaus müsste die Anerkennung von Berufsabschlüssen deutlich besser werden. Des Weiteren müssten sich die akademische und die berufliche Bildung besser vernetzen, beispielsweise in Form von Campus-Konzepten. Eine weitere Idee sei es, Scheine von Studienabbrechern bei der Ausbildung anzuerkennen und umgekehrt.

Handwerk sollte mehr Praktika anbieten

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Kern der Fachkräfteoffensive sei aber die Stärkung der beruflichen Bildung. "Es ist die Stunde der beruflichen Bildung. Die Zeit dafür ist reif", sagte Heidmeier. Gleichzeitig müsse aber auch das Handwerk selbst die 40.000 jungen Menschen in Übergangssystemen im Blick behalten und diesen Angebote machen, etwa in Form von Praktika. "Handwerk ist nicht nur Aufstieg, sondern auch Einstieg."

705.000 Arbeitslose gibt es zurzeit in NRW, davon rund 350.000 ohne Berufsabschluss. "Wir können nicht alle zu Fachkräften ausbilden. Aber wir können erste kleine Schritte gehen", betonte Bianca Cristal, die in der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen für den Bereich Arbeitsmarktmanagement verantwortlich ist und schon viele Projekte mit dem Handwerk auf die Beine gestellt hat.

 "Wir wissen es sehr zu schätzen, dass die Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen stets den Dialog mit dem Handwerk sucht und in ihren Projekten und Angeboten auf die Besonderheiten des Handwerks eingeht", betonte Dr. Frank Wackers, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes UVH.

Eltern haben großen Einfluss auf die Berufswahl

Deutlich wurde bei der Podiumsdiskussion auch, dass die Elternschaft mehr eingebunden werden muss, denn die Eltern sind nach wie vor ein großer Treiber für die Berufswahl. Es gab dazu konkrete Vorschläge aus der Landeselternschaft der Gymnasien in NRW. Etwa dass Eltern, die selbst Handwerkerinnen und Handwerker sind, ihre Berufe vor den Schulklassen vorstellen, oder dass in den Schulen Listen mit Praktikumsplätzen ausgehängt werden. Das erleichtere den Eltern die Suche nach Praktikumsplätzen enorm.

Der Kampf um die Talente wird sich verschärfen, wenn die Baby-Boomer in Rente gehen. Insgesamt erwartet das Handwerk deshalb eine Bildungswende mit einer gesetzlichen Festschreibung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Er sehe gute Chancen, so Staatssekretär Heidmeier, dass NRW als erstes Bundesland überhaupt die Gleichwertigkeit zumindest symbolisch im Gesetz festschreiben wird.

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel:

Um das Fachkräfteproblem im Handwerk in den Griff zu bekommen, benennt der Unternehmerverband Handwerk NRW unter anderem folgende Stellschrauben:

  • Möglichst viele Schülerinnen und Schüler sollen einen Schulabschluss erwerben
  • Die Zahl der Ausbildungsabbrüche muss verringert werden. Dafür brauchen die Ausbilderinnen und Ausbilder in den Betrieben mehr Unterstützung
  • Die Berufsorientierung an den Schulen sollte früher einsetzen - vor allem in den Gymnasien
  • Es sollte in allen Schulen diskriminierungsfrei und objektiv über die Berufschancen im Handwerk gesprochen werden
  • Mehr Frauen müssen für das Handwerk gewonnen werden
  • Ältere Erwerbstätige müssen unterstützt werden, damit sie lange in den Betrieben bleiben können
  • Es braucht mehr Zuwanderung in den Arbeitsmarkt
     

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Text: / handwerksblatt.de