Betriebswirt des Handwerks: Stratege und Problemlöser
Der Betriebswirt des Handwerks ist unbestritten die Königs-Fortbildung der beruflichen Qualifizierungen. Jetzt wurde das Erfolgsmodell modernisiert und auf eine bundesweit einheitliche Grundlage gestellt.
Ein kleiner, aber entscheidend feiner Unterschied macht sich beim Betriebswirt des Handwerks künftig an einem einzigen Buchstaben fest. In der Klammer hinter der Fortbildungsbezeichnung wird statt des Kürzels HWK, das für Handwerkskammer steht, spätestens ab dem Jahr 2016 HwO stehen. "Erstmalig wurde für den Betriebswirt des Handwerks eine bundesweit einheitliche Prüfungsverordnung erlassen, die auf Paragraf 42 der Handwerksordnung fußt und die den Wildwuchs der verschiedenen Kammerregelungen nach Paragraf 42 a der HwO lichtet", erklärt Heike Eggers vom Institut für Technik der Betriebsführung (itb). Mit dieser handwerksspezifischen Regelung zieht die Fortbildung mit dem IHK-Abschluss nach dem Berufsbildungsgesetz gleich. Dass die Lehrgangs- und Prüfungsinhalte standardisiert, die Ergebnisse und Qualifikation damit vergleichbarer werden, ist auch mit Blick auf die Entwicklungen in Europa zu sehen.
Topmoderne Inhalte
Zurzeit ordnen die Bildungsexperten alle Abschlüsse ihres Landes in nationale Qualifikationsrahmen ein, die dann später zu einem großen europäischen Ganzen – dem EQR – zusammengeführt werden sollen. Im deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) steht der Meisterbrief auf der sechsten von insgesamt acht Stufen. Als "Eliteschule des Handwerks" sollte der Betriebswirt möglichst noch über dem großen Befähigungsnachweis stehen. Doch nicht nur die Rechtsgrundlage hat sich geändert. Der maßgeblich vom itb erstellte Rahmenlehrplan ist nach Einschätzung von Heike Eggers praxisbezogener, die Inhalte seien topmodern. "Der Lehrgang enthält alle Elemente einer modernen, strategischen Unternehmensführung", sagt die Berufspädagogin. Als Inhalte sind beispielsweise strategisches und operatives Management und Controlling, Trends im Technologie- und Dienstleistungsbereich eigenständig recherchieren, Umgang mit Medien- und Internetrecht und betriebliches Qualitätsmanagement hinzugekommen.
Auch die Art der Wissensvermittlung ist neu. Unterrichtet wird handlungsorientiert. Zahlreiche betriebliche Situationsaufgaben sollen zeigen, wie sich die Entscheidungen der angehenden Führungskräfte im Alltag auswirken können. "Ihr Unternehmen expandiert! Wie gehen Sie praktisch bei Ihrer Personalbedarfsplanung vor und welche Methoden und Instrumente wenden Sie an? Begründen Sie Ihre Entscheidung" führt Eggers als Beispiel eine Fragestellung aus dem Lehrgangsteil "Personalmanagement" an. Im Vordergrund – sowohl im Unterricht als auch in der Prüfung – stehe immer der praktische Bezug. "Der Betriebswirt soll zum Problemlöser und Strategen werden", so die itb-Mitarbeiterin.
Eigenverantwortliches Lernen
Das verlangt allen Beteiligten einiges ab. Die Teilnehmer müssten raus aus ihrer Konsumentenhaltung und rein in das eigenverantwortliche Lernen und Arbeiten kommen. Für Schüler sei es inzwischen völlig normal, in Gruppen oder selbstständig zu recherchieren, die Ergebnisse in einer Power-Point-Präsentation darzustellen und der Klasse vorzustellen. "Diese Methodenkompetenzen werden nun auch Einzug in die Erwachsenenbildung halten", kündigt Eggers an. Sie ist davon überzeugt, dass sich die aktivere Mitarbeit für die Lehrgangsbesucher auszahlt und sie mit mehr Freude bei der Sache sein werden.
Von den Dozenten werde verlangt, dass sie ihre speziellen Themenfelder mit dem übergeordneten Thema "strategisches Management" verknüpfen. Da nicht mehr nur theoretisches Wissen abgefragt werde, müssten die Prüfer sich auf die betrieblichen, handlungsorientierten Situationsaufgaben einstellen. Dabei gebe es nicht immer nur eine richtige Lösung, sondern der Prüfling müsse seine erworbenen Kompetenzen einbringen und seine Strategiewahl begründen. Um die Prüfungsausschüsse darauf vorzubereiten, werden bis zum Jahresende noch Seminare angeboten.
Wegen des deutlich praxisorientierteren Zuschnitts erhöht sich die Lehrgangsdauer von 500 auf rund 700 Unterrichtsstunden. Darin enthalten ist eine zirka 100-stündige Selbstlernphase zu Hause. Die neue Prüfung gliedert sich in vier Teile: Unternehmensstrategie, Unternehmensführung, Personalmanagement und Innovationsmanagement. Die Teile I und III werden in den jeweiligen Handlungsbereichen geprüft. Der zweite Prüfungsteil verlangt eine komplexe, die Handlungsbereiche übergreifende Fragestellung. "Komplex heißt nicht komplizierter", erklärt Eggers. "Die Prüflinge bearbeiten betriebliche Situationsaufgaben, wie sie der Realität in Unternehmen entsprechen. So können sie ihr im Lehrgang erworbenes Wissen und strategisches Denken direkt anwenden." Wer die ersten drei Teile meistert, wird für den letzten Prüfungspart zugelassen. Dieser besteht aus einer schriftlichen Projektarbeit, einer darauf bezogenen Präsentation und einem abschließenden Fachgespräch.
Erste Pilotlehrgänge starten im Jahr 2013
Die neue Verordnung für den "Geprüften Betriebswirt nach der Handwerksordnung" – so die offizielle Bezeichnung der Fortbildung – ist seit dem 1. April 2011 in Kraft. Ab dem Jahr 2013 wird es die ersten Pilotlehrgänge geben, in denen die Lehrgangs- und Prüfungsinhalte auf Herz und Nieren geprüft werden. Zurzeit erarbeitet das Institut für Technik der Betriebsführung dafür Lehrgangsunterlagen. "Die Handwerkskammern warten alle auf die Skripte", sagt Heike Eggers. Sie ist zuversichtlich, dass die Arbeit daran bald abgeschlossen sein wird. "Wir liegen gut in der Zeit und setzen alles daran, dass das neue Konzept praxisnah und teilnehmerfreundlich umgesetzt wird", versichert die itb-Mitarbeiterin. Bis zum Ablauf der Übergangsfrist, die am 31. Dezember 2015 endet, dürfen die Lehrgangsanbieter noch nach der alten Verordnung prüfen.
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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