Betriebsübergabe: Psychologie gehört auch dazu
Eine Betriebsübergabe ist nicht nur ein finanzieller, sondern auch ein mentaler Kraftakt. Für den Erfolg spielen die Persönlichkeiten der Übergeber und Übernehmer eine entscheidende Rolle.
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"Unternehmen sind so individuell wie Menschen. Alle haben ihre Vorgeschichte, ihre Prägungen", sagt Rüdiger Schulz, Leiter der Betriebsberatung der Handwerkskammer in Frankfurt (Oder). "Wirtschaft ist zu mindestens 50 Prozent Psychologie", sagt Rüdiger Schulz. Neben der persönlichen und der fachlichen Eignung des Übernehmers, der Finanzierung und den vielen anderen Faktoren in diesem komplexen Prozess der Übergabe muss vor allem die Chemie zwischen den Vertragsparteien stimmen. "Wenn die Chemie nicht stimmt, wenn die grundsätzliche Einstellung der beiden Parteien zur Übergabe nicht passt, hat das ganze Projekt wenig Aussicht auf Erfolg." Schulz, der pro Jahr mit seinem Team 20 bis 30 Betriebsübergaben im Handwerk begleitet, weiß auch wie schwer es für beide Seiten ist, umzudenken.
Zum Einen sind gerade kleine Betriebe besonders von der Unternehmerperson geprägt. "Jeder Unternehmer kennt den eigenen Betrieb wie seine Westentasche. Er hat sich seinen Betrieb über Jahre quasi wie einen Maßanzug auf den eigenen Leib zugeschnitten. Wenn dann der Neue kommt, ist es nur logisch, dass dieser Maßanzug für ihn nicht von Anfang an passt, sondern angepasst werden muss. Da kann es zu Konflikten kommen, die man als solche erkennen und lösen muss."
Wenn der Senior sich immer noch einmischt...
Zum Anderen fällt dem Senior oft der Übergang in die neue Lebensphase schwer. Sprich: er mischt sich immer noch ins Geschehen ein. "Er war sein Leben lang an Unternehmerstatus und Erfolg gewöhnt und hat sich keine Gedanken darüber gemacht, wie er seine neue Freizeit, sein Leben nach dem Unternehmertum gestalten wird."
Umgekehrt müssen sich auch die Nachfolger gehörig umstellen. Als Kinder im elterlichen Betrieb oder Angestellte "haben sie oft jahrelang im Schatten des Chefs gearbeitet". Nun müssen sie sich mit ihrer neuen Rolle identifizieren, selbst Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen, selbst der dynamische Unternehmer sein. Ein schwieriges Unterfangen, sowohl für Unternehmer-Kinder, als auch für Übernehmer aus dem Mitarbeiterkreis, die nun nicht mehr Kollege sondern Chef sind. Die neue Position als Chef mit allen Freiheiten aber auch ohne tarifliche Absicherung, was Bezahlung, Überstunden oder Urlaub angeht, muss erste einmal akzeptiert und ausgefüllt werden.
Betriebsberater Rüdiger Schulz rät den Übergebern, "ihre Nachfolger sorgfältig auszuwählen, langfristig aufzubauen und allmählich an die neue Aufgabe heranzuführen". Dazu gehöre die Nutzung von Qualifizierungsangeboten, das Übertragen von Verantwortung und das Delegieren von Aufgaben. Und schließlich sollte sich "der Alte" nach der Übergabe konsequent zurückziehen und den Jungen das Ruder überlassen. "Denn das Loslassen ist einer seiner wichtigsten Beiträge zum Erfolg der Übergabe."
Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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