Überhöhte Zinsen, ein Problem mit dem viele zu kämpfen zu haben, doch Banken sind dazu verpflichtet diese kontinuierlich anzupassen.

Überhöhte Zinsen, ein Problem mit dem viele zu kämpfen zu haben, doch Banken sind dazu verpflichtet diese kontinuierlich anzupassen. (Foto: © Ak Watchreewong Na Ayutthya/123RF.com)

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Die Zinstricks der Banken

Zins- und Kontenprüfer entdecken immer wieder, dass Banken variable Zinssätze nicht den Marktveränderungen anpassen. Handwerker sind davon besonders stark betroffen. Vor allem bei Kontokorrentkrediten kassieren die Kreditinstitute zu hohe Zinsen.

"Die Bank hat nicht nur viel zu hohe Zinsen kassiert – sie hat auch mein Geschäft gehemmt", sagt Hans Lohmühlen* verbittert und wütend. Es war vor gut fünf Jahren. Die dort jahrzehntelang stationierten amerikanischen Soldaten waren gerade aus Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz abgezogen – und mit ihnen viel Kaufkraft. Viele von ihnen waren Kunden im Brillengeschäft von Optikermeister Lohmühlen gewesen. Am Stadtrand hatte ein neues, großes und modernes Einkaufszentrum eröffnet. "Und in der Innenstadt wurde ich umzingelt von zwei neuen Billig-Optikerketten", erzählt der Geschäftsinhaber.

Die Folge: Sein Kontokorrentkredit mit variablem Zinssatz rutschte ins Minus. Mit rund 25.000 Euro stand er nun im Soll – bei einer Kreditlinie von 10.000 Euro. "Das war kritisch", sagt Lohmühlen, "die Bank verlangte für die Überziehung jetzt insgesamt 19,1 Prozent Zinsen." Der heute 65-Jährige wollte daraufhin umschulden. "Aber das hat sich dermaßen verzögert. Und die Bank hat fast zwei Jahre lang diese hohen Zinsen kassiert." Und das, obwohl das Zinsniveau in Deutschland seit Ende 2008 stark gesunken war.

Für den Optiker war das eine "wirtschaftlich sehr schwierige" Situation: "Ich konnte keine wichtigen Brillenfassungen mehr bestellen – und keine Werbung mehr machen", sagt Lohmühlen. "Meinem Geschäft ist dadurch ein sehr großer Schaden entstanden." Zumal er gerade in dieser Zeit angesichts der Rahmenbedingungen dringend hätte investieren müssen.

Zu viel an Sollzinsen gezahlt

Diese Geschäftspolitik der Bank wollte Lohmühlen nicht länger hinnehmen. In diesem Frühjahr wandte er sich an den Kreditsachverständigen Ralph Hans Brendel vom Berliner Unternehmen Zinspruef. Das Ergebnis des von dem Experten erstellten Gutachtens: Der Optikermeister hatte insgesamt 4.004,42 Euro zu viel an Sollzinsen bezahlt – bei einer Kreditlinie von zuletzt 10.000 Euro. Die Bank hatte laut Gutachten über Jahre hinweg höhere Zinsen abgerechnet als erlaubt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (u. a. Aktenzeichen XI ZR 78/08) muss die Bank den Zinssatz bei variablen Krediten ständig an einen Marktzins anpassen und die Voraussetzungen dafür "weitestmöglich präzisieren". "Die Bank darf die Zinsen demnach nicht nur nach oben, sondern muss sie auch nach unten anpassen. Das wird gern vergessen", sagt Ralph Hans Brendel, fachlicher Leiter bei Zinspruef und Vorsitzender des Bundesverbandes Kreditsachverständige und Kontenprüfer e. V. Dies sei rechtswidrig.

Bei den von Brendel überprüften Konten einer Schlosserei ist der Schaden durch zu hohe Zinsen sogar noch deutlich größer. Die Schwiegertochter von Schlossermeister Erwin Junghans* hatte die Buchhaltung der Firma übernommen. Ihr fiel bald darauf auf, dass die Zinsen im Kontokorrentkonto nicht stimmen können. Junghans wandte sich an den Kreditsachverständigen Brendel. Er rechnete alle Zinsbuchungen nach. Am Ende stellte er in einem Gutachten, das dem Deutschen Handwerksblatt vorliegt, fest: Das Geldinstitut hat sich bei der Zinsanpassung "nicht an den Geldmarktsätzen orientiert, sondern Sollzinsen überhöht abgerechnet". Für die Zeit zwischen Juni 1998 und Dezember 2009 ermittelte der Kreditsachverständige allein für das Kontokorrentkonto einen Erstattungsanspruch von 61.528 Euro – bei einer durchschnittlichen Inanspruchnahme von weniger als 70.000 Euro. Insgesamt entstand dem Handwerksunternehmen ein Schaden von etwa 115.000 Euro.

Stark betroffen von Falschabrechnungen

Falsche Zinsberechnungen – die beiden Handwerksunternehmen sind längst nicht die einzigen, die davon betroffen sind. "Das sind keine Einzelfälle", sagt Brendel, der seit 1989 für das Unternehmen Kredite unter die Lupe nimmt. "Das ist sehr verbreitet." Besonders häufig würden dabei Handwerker übers Ohr gehauen. "Das Handwerk ist sehr stark betroffen von Falschabrechnungen", sagt Brendel. "Wenn wir Konten von Handwerkern überprüfen, sind bei zwei Drittel der Kunden Fehler vorhanden, ganz vorsichtig formuliert. Und mit Fehlern meine ich erhebliche Erstattungsbeträge – jenseits der 10.000 Euro." Im Durchschnitt liege die Schadenssumme bei Handwerkern bei rund 60.000 Euro.

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Wer gegen seine Hausbank vorgehen will, braucht häufig einen langen Atem: Die Hälfte der Verfahren landet laut Brendel vor Gericht. In anderen Fällen werde ein Vergleich geschlossen. Und wie sind die Erfolgschancen, wenn in einem Gutachten falsche Zinsberechnungen nachgewiesen wurden? "Zum Recht kommen wir mittlerweile meistens, da liegen wir bei über 90 Prozent", sagt Brendel. "Mit der Summe kommen wir allerdings nicht immer durch", räumt er ein.

*Namen von der Redaktion geändert


Das sind nach Erfahrung des Kreditsachverständigen Ralph Hans Brendel die häufigsten Banken- und Zinstricks bei Handwerkern:

Zinsanpassungen sind falsch

  • Zinsanpassungen werden laut Brendel häufig vertrags- und gesetzeswidrig zum Nachteil des Kunden angepasst
  • Zinserhöhungen werden gerne sofort und zum Nachteil des Kunden belastet, während Zinssenkungen nur mit erheblicher Verzögerung, nur teilweise oder auch gar nicht weitergegeben werden

Unkorrekte Kreditlimits

  • Überziehungszinsen werden laut Brendel häufig ohne Rechtsgrundlage eingefordert
  • Die Bank senkt oder streicht das Kreditlimit – mitunter ohne es dem Kunden mitzuteilen – und kassiert unberechtigt berechnete Überziehungszinsen

Verkauf von Kombiprodukten/falsches Finanzierungsmodell

  • Verkauf von Zusatzprodukten, die Banken mehr Provisionen bringen, beim Kunden laut Brendel aber oft zu "erheblichen Schäden" führen können (zum Beispiel Tilgungsaussetzung bei einem Kredit gegen Abschluss einer Lebensversicherung oder eines Bausparvertrags). Der Mehraufwand für Kombiprodukte beträgt laut Brendel aus seinen Gutachten zwischen rund 33.000 Euro und 46.000 Euro.

 



Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken sagte auf Anfrage des Deutschen Handwerksblatts zum Vorwurf der falschen Zinsanpassungen: "Beim Thema Zinsanpassung hat es in der Vergangenheit bisweilen unterschiedliche Auffassungen bei der Auslegung des eigenen Ermessens der Banken hinsichtlich ihrer Refinanzierungssituation gegeben. Mittlerweile wurde die Zinsanpassung aber geändert. Den allermeisten Kreditverträgen dürfte mittlerweile eine Zinsgleitklausel zu Grunde liegen, die eine Anpassung automatisch in Abhängigkeit eines dem  Kunden bekannten Referenzzinses vornimmt. Einen Ermessensspielraum seitens der Banken gibt es hier nicht mehr."

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV), der Dachverband der Sparkassen teilte auf Anfrage mit: "Wir haben in den vergangenen Jahren mehrfach darauf hingewiesen, dass Zinsänderungen selbstverständlich auch an die Kunden von Sparkassen weitergegeben werden. Insofern kann es sich – falls so etwas auch unsere Institute betreffen sollte – auch nur um Einzelfälle handeln."

Text: / handwerksblatt.de

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