Saar-Handwerk: "Die Situation ist angespannt"
Der Präsident der Handwerkskammer des Saarlandes, Bernd Wegner, erklärt im Interview, womit die Handwerksbetriebe in der Corona-Krise zu kämpfen haben und was sie brauchen, um auch weiterhin ihre Dienstleistungen anbieten zu können.
Die Corona-Krise macht auch dem Saar-Handwerk zu schaffen. Bernd Wegner berüßt die Entscheidungen der Bundes- und Landesregierung, nur schrittweise Lockerungen der Beschränkungen für die Wirtschaft vorzunehmen. Der Präsident der Handwerkskammer des Saarlandes fordert, mögliche weitere Lockerungen wöchentlich zu prüfen.
DHB: Herr Wegner, was bedeuten die Lockerungen für die Betriebe des betroffenen Handwerks?
Wegner: Die Situation ist insgesamt angespannt. Das saarländische Handwerk begrüßt grundsätzlich die Schritte, die Bundes- und Landesregierungen Ende April 2020 beschlossen haben, um den Spagat zwischen Gesundheitsschutz und wirtschaftlichen Anforderungen zu meistern. Insbesondere Autohäuser, Fahrradhändler und Handwerksunternehmen mit Ladengeschäften bis 800 Quadratmetern können nun ihre Tätigkeit wiederaufnehmen. Gut ist, dass die saarländischen Friseurbetrieben nun die Perspektive haben, ihre Geschäfte ab 4. Mai 2020 unter Einhaltung strenger Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen wieder zu öffnen. Die Coronakrise hat das saarländische Friseurhandwerk hart getroffen. Dabei darf jetzt nicht übersehen werden, dass Kosmetiker und Podologen auch nach dem 4. Mai 2020 noch nicht arbeiten dürfen. Das trifft die entsprechenden Unternehmen ins Mark. Klar ist, dass diesen Gewerken seit jeher hohe Hygiene- und Infektionsschutz-Standards umgesetzt werden.
DHB: Gehen die Lockerungen weit genug?
Wegner: Viele saarländische Handwerksbetriebe sind von den Auswirkungen der Coronakrise betroffen und verzeichnen Auftragsrückgänge sowie Umsatzverluste. Um den Infektionsschutz für Handwerkerinnen und Handwerker und deren Kundinnen und Kunden zu gewährleisten, unterstützen wir die Entscheidungen der Bundes- und Landesregierung, nur schrittweise Lockerungen der Maßnahmen vorzunehmen. Das saarländische Handwerk erwartet von der Politik, die Maßnahmen zum Schutz vor Corona und mögliche Lockerungen wöchentlich zu prüfen und nicht länger als zwingend nötig aufrechtzuerhalten. Wichtig ist, dass Behörden und Verwaltungen wieder im Regelbetrieb arbeiten. Die Handwerksunternehmen sind darauf angewiesen, dass zum Beispiel Kfz-Zulassungsstellen oder auch Baugenehmigungsbehörden uneingeschränkt dienstleistungsfähig sind.
DHB: Was ist nötig, um den Gesundheitsschutz weiterhin zu gewährleisten?
Wegner: Neben der Einhaltung der geltenden Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen verlangt Corona Handwerksunternehmen viel Flexibilität ab. Sie werden auf Grundlage der geltenden Vorgaben auch individuelle Lösungen finden müssen, um den Hygiene- und Infektionsschutz zu gewährleisten. Hierbei zeigen unsere Unternehmen aber auch ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. Viele Betriebe haben quasi über Nacht im Rahmen der Handwerksordnung Arbeits- und Produktionsprozesse den neuen Hygienenotwendigkeiten, Marktgegebenheiten und -bedarfen angepasst. Bauhandwerker verteilen sich auf Baustellen und führen Schichtsysteme ein, Metallbauer, Schreiner und Tischler bieten Lösungen zum Infektionsschutz an, Bäcker bauen Lieferservices und Online-Handel auf beziehungsweise aus.
DHB: Was muss noch passieren, um die Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks zu erhalten?
Wegner: Unsere Handwerkerinnen und Handwerker brauchen Aufträge. Unser Saar-Handwerk ruft die öffentliche Hand, Gewerbekunden ebenso wie verunsicherte Privatkunden auf, in der Coronakrise weiterhin Handwerksunternehmen zu beauftragen. Wir appellieren an die öffentliche Hand, dass Aufträge an Handwerker, soweit es die Vergabebedingungen zulassen, vorgezogen werden. Wir begrüßen die Vereinfachung der Vergabegrundsätze durch die saarländische Landesregierung für Gemeinden, Gemeindeverbände, kommunale Eigenbetriebe und kommunale Zweckverbände, befristet bis zum 31. Dezember 2020, Bauleistungen bis zu einer Wertgrenze von 150.000 Euro freihändig vergeben zu können. Innerhalb der genannten Zeitspanne sind außerdem beschränkte Ausschreibungen bis zu einer Wertgrenze von 1.000.000 Euro möglich. Eine solche Vereinfachung der Vergabebedingungen sollte auch bundesweit Schule machen. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Handwerksunternehmen zu gewährleisten, halte ich die von Bund und Ländern realisierten Unterstützungsmaßnahmen zur Liquiditätssicherung bis auf Weiteres für unverzichtbar. Diese Maßnahmen müssen gegebenenfalls problembezogen nachgeschärft werden. Wir unterstützen unseren Spitzenverband, den Zentralverband des Deutschen Handwerks in seiner Forderung nach zeitnahen wirtschafts- und finanzpolitischen Stärkungsimpulsen.“
Die Fragen stellte Lars Otten.
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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