Meister mit Akademikern gleichstellen
Der Deutsche Qualifizierungsrahmen (DQR) legt fest, welche Bildungsabschlüsse auf einer Ebene stehen. Um eine Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung herzustellen, sollte der DQR rechtlich verankert werden, fordern Anja Reinalter und Michael Kellner von den Grünen in ihrem Gastbeitrag.
Mehr als die Hälfte aller Betriebe sehen im Fachkräftemangel eine Gefahr für ihre Wertschöpfung – und damit auch für Wirtschaftswachstum. Gerade das Handwerk als personalintensive Wirtschaftsbranche hat besonders mit dieser Lücke zu kämpfen und konnte allein 2024 rund 19.000 Ausbildungsstellen nicht besetzen.
Berufliche Bildung stärken: Gleichwertigkeit fördern
Michael Kellner ist seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages für Bündnis 90/Die Grünen, Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. Foto: © STEFAN_KAMINSKIDie Gründe? Oft existieren Vorurteile, die der Realität nicht standhalten, etwa dass Ausbildungsberufe weniger herausfordernd und komplex seien oder schlechtere Einkommens- und Aufstiegsperspektiven böten. Auch die Erwartungshaltung im Familien- und Bekanntenkreis spielt bei der Berufswahl eine entscheidende Rolle. Viele Eltern sehen ihre Kinder lieber an der Uni und unterstützen vor allem diesen Weg. Die jahrelange Vernachlässigung der Berufsorientierung an Gymnasien hat dies verstärkt.
Auch wir Grüne haben zu lange akademische Bildungswege in den Vordergrund gerückt. Dabei ist die Berufliche Bildung, insbesondere die duale Ausbildung, ein Erfolgsmodell, um das uns viele Staaten auf der Welt beneiden. Wir müssen jetzt die Menschen qualifizieren, die unseren Wohlstand sichern und mit Tatendrang Innovationen voranbringen. Das schaffen wir nur, wenn die Ausbildung als Karriereweg für junge Menschen attraktiv ist und eine der akademischen Laufbahn gleichwertige Anerkennung in unserer Gesellschaft erfährt.
Berufliche und akademische Bildung gleichwertig gestalten
Bekenntnisse zur Gleichwertigkeit akademischer und beruflicher Bildung gibt es viele. Viele Maßnahmen für eine spürbare Stärkung der Berufsausbildung und der Höheren Berufsbildung wurden auch bereits ergriffen, z. B. durch die Einführung der Abschlüsse Bachelor Professional und Master Professional. Doch wir wissen, dass das nicht ausreicht.
Ein entscheidender Hebel ist die Vergleichbarkeit von Abschlüssen. Kompetenzniveaus von beruflichen wie akademischen Qualifikationen können so zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Ein geeignetes Instrument hierfür ist der Deutsche Qualifikationsrahmen, kurz DQR. Er legt z. B. fest, dass ein Friseurmeister auf der gleichen Ausbildungsstufe wie eine Betriebswirtin mit Bachelorabschluss anzusiedeln ist.
DQR-Verrechtlichung: Bildungssysteme transparenter gestalten
In Deutschland ist der DQR bisher ein freiwilliges Transparenzregister. Die Vorteile einer rechtlichen Verankerung, wie es sie beispielsweise in der Schweiz und in Österreich bereits gibt, liegen klar auf der Hand:
1. Durchlässigkeit der Bildungssysteme: Der Wechsel in ein Studium oder von einem Studium in eine Ausbildung wird vereinfacht, wenn erworbene Vorkenntnisse in DQR-Stufen ausgedrückt werden.
2. Stichwort Lebenslanges Lernen: Die Anschlussfähigkeit des gesamten Weiterbildungssektors an das formale Bildungssystem wird verbessert. Das sorgt auch in diesem Bereich für den dringend benötigten Aufwind und wird sich positiv auf die Weiterbildungsbereitschaft auswirken.
3. Die gesteigerte Transparenz und Vergleichbarkeit fungiert als Qualitätssicherung für Ausbildungsabschlüsse. Wer Fachkräfte einstellt, wird sich bei den Bewerbern auf das angegebene Niveau der Ausbildung verlassen können. Der DQR wird zu einem Qualitätssiegel – erkennbar auf den ersten Blick auf jedem Abschlusszeugnis oder -zertifikat.
Die Verrechtlichung schafft Sichtbarkeit, verbrieft die Gleichwertigkeit und fördert damit die Gleichbehandlung verschiedener Bildungswege und Abschlüsse. Das ist ein klares politisches Signal und setzt neue Maßstäbe für zukünftige Gesetzgebung im Ausbildungsbereich.
Vergleichbarkeit anerkennen
Das deutsche Bildungssystem ermöglicht eine Vielzahl an Bildungswegen und Berufsbiografien. Viele Wege können zu sich gleichenden Kompetenzen, Kenntnissen und Fähigkeiten führen. Diese Vergleichbarkeit anzuerkennen, ist unser Anliegen. Die Vielfalt der Ausbildungswege wollen wir erhalten und die Attraktivität der beruflichen Bildung als Karriereweg stärken.
Damit treten wir Grüne nicht nur dem Fachkräftemangel entgegen, sondern ermöglichen auch jedem Menschen eine individuelle Lebensplanung und bieten Raum für berufliche Neuorientierung und Weiterentwicklung.
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Text:
Stefan Buhren /
handwerksblatt.de
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