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HWK Koblenz | November 2024
Letzte-Hilfe-Kursus in Koblenz
Einige Plätze für den Termin am 6. November sind noch frei – Anmeldungen sind bei der HwK Koblenz möglich. Für 2025 sind weitere Termine geplant
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Der Fachkräftemangel verbreitet Panik, Initiativen schießen wie Pilze aus dem Boden. Nach aktuellen Studien werden in Deutschland bis zum Jahr 2035 etwa vier Millionen Arbeitskräfte fehlen. Das Handwerk ist stark betroffen.
Vor allem kleine und mittlere Unternehmen bekommen das zu spüren, weil sie sich in puncto Lohn- und Personalpolitik nicht gegen die Konkurrenz aus der Industrie durchsetzen können. Aber das Drehen an der Lohnschraube alleine wird nicht reichen. Langfristige Strategien sind gefragt und eine Unternehmenskultur, die für Mitarbeiter attraktiv ist.
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums mangelt es in einigen Regionen bereits an Rohrinstallateuren, Kraftfahrzeuginstandsetzern, Fräsern und Drehern. Auch das Elektrohandwerk – mit über 57.000 Unternehmen und über 470.000 Mitarbeitern eine der größten Branchen im Handwerk – verzeichnet Engpässe. Es fehlen vor allem Elektroinstallateure, so eine Umfrage des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH).
Ein Drittel der befragten Unternehmer hat noch offene Stellen, 80 Prozent gaben an, die Qualifikation der Bewerber entspräche nicht den Anforderungen. "Die Bundesagentur für Arbeit meldet, dass 27.000 Fachkräfte in dem Bereich fehlen", sagt ZVEH-Hauptgeschäftsführer Ingolf Jakobi. Die Konkurrenz sei groß, denn auch Elektroindustrie und Großhandel bemühten sich um gute Köpfe. Einem Acht-Mann-Betrieb aber fielen Personalentwicklung und Selbstmarketing wesentlich schwerer als einem Großkonzern.
Der Verband springt dabei ein, außerdem versucht er, das Image der Berufe zu steigern, um sie für Schüler attraktiver zu machen. Erreichen soll das die groß angelegte E-Marken-Kampagne, zu der auch die Nachwuchswerbung E-Zubis.de gehört. "Wir merken bereits, dass die Wertschätzung gestiegen ist", so Jakobi. "Wir leben in einer elektrotechnisch geprägten Welt. Bei den Eltern hat sich herumgesprochen, dass es sich um eine Zukunftsbranche handelt."
Dazu beigetragen habe auch die sogenannte Lehrermappe, eine umfassende Informationsgrundlage, die vom Verband an Schulen verteilt wird. Weitere Maßnahmen sollen auch mehr Frauen, Abiturienten und Studenten für die Elektrobranche interessieren oder junge Spanier für die Ausbildung gewinnen. Darüber hinaus bieten die Kompetenzzentren Umschulungen für Quereinsteiger an, die ein Grundverständnis von Mathematik und Physik mitbringen. "Die Branche boomt. Noch steigen die Umsatzzahlen. Aber fehlen die Kräfte, können Aufträge nicht so schnell bearbeitet werden wie Kunden sich das wünschen", sagt Jakobi.
Zwar machen sich Verbände, Innungen und Kreishandwerkerschaften für ihre Mitglieder stark, doch auch die Unternehmer sind gefragt. Eine empirische Analyse vom Ludwig-Fröhler-Institut in München hat untersucht, warum sich junge Fachkräfte für Handwerk oder Industrie entscheiden. In den Punkten "Aufstiegsmöglichkeiten", "Verhältnis zum Vorgesetzten und zu Kollegen" hat das Handwerk klar die Nase vorn. Doch was "selbstbestimmte Arbeitsorganisation" und "Weiterbildungsmöglichkeiten" betrifft, schneidet die Industrie besser ab.
Ein Unternehmen, das hier punktet, ist die Firma Lettermann aus Viersen. Zum Betrieb mit Orthopädie-Technik, Orthopädie-Schuhtechnik, Reha-Technik und Sanitätshaus gehören 76 Mitarbeiter, davon 16 Auszubildende. Die Lehrlinge übernehmen vom ersten Tag an Verantwortung. "Im Sanitätshaus haben sie Kundenkontakt und übernehmen unter Anleitung das Handling mit der Krankenkasse", erklärt Marian Hiepen, Leiter der Marketingabteilung. Es gibt eine Azubi-Beauftragte, an die sie sich jederzeit wenden könnten und ein monatliches Azubi-Meeting.
Lettermann organisiert für die Auszubildenden Ausflüge, Wettbewerbe und extra Fortbildungen. Das spricht sich herum. "Wir müssen kaum Anzeigen schalten, um Auszubildende zu finden. Die Mundpropaganda funktioniert", freut sich Hiepen. Von Fachkräfte- oder Nachwuchsmangel keine Spur. Auch weil Lettermann ungewöhnliche Wege nicht scheut, um Mitarbeiter zu finden. "Wir suchen Charaktere, die Lust auf die Arbeit im Gesundheitswesen haben, egal ob alt, jung, mit Behinderung oder ohne, Mann oder Frau", betont Hiepen. Auch Langzeitarbeitslose oder Quereinsteiger bekämen eine Chance.
Eine der Auszubildenden ist über 30 und stammt aus dem Irak. "Sie hat uns als Typ sehr gefallen, darum haben wir sie eingestellt", erklärt Hiepen. Die Firma hat eigens einen Deutschkurs für sie organisiert. 2010 erhielt Lettermann die Auszeichnung "Bester Arbeitgeber im Mittelstand". Ein klarer Wettbewerbsvorteil im Kampf um die Fachkräfte.
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