Den Wandel der Wirtschaft im Auge behalten
Andreas Ehlert, Präsident von Handwerk.NRW, betont bei der Sitzung des Handwerksrats, dass einige Geschäftsmodelle nach der Corona-Krise auf Dauer nicht zu retten seien. Die Politik müsse den Wandel der Wirtschaft unterstützen.
"Alle haben hautnah mitbekommen, welche gewaltigen Herausforderungen die Corona-Pandemie in diesem Jahr für das Handwerk hat." Andreas Ehlert ließ bei der virtuellen Sitzung des NRW-Handwerksrats keinen Zweifel an der Wucht, mit der die Corona-Krise auch das Handwerk erfasst hat. Die Betriebe seien mit einer Vollbremsung aus einem Konjunkturhoch gerissen worden, so der Präsident von Handwerk.NRW. In vielen Bereichen gebe es Betroffene: "Mir tut jeder einzelne Betrieb weh, der völlig unverschuldet in Turbulenzen geraten ist." Der zweite, wahrscheinlich unvermeidbare, Lockdown werfe das Handwerk nun erneut zurück.
Andreas Ehlert. Foto: © HWK DüsseldorfSorge bereite Ehlert die Stop-and-go-Politik. Auf Dauer werde sich der Staat das Hin und Her zwischen Lockdown und Lockerungen der Maßnahmen nicht leisten können. Hier drohe eine finanzielle Überforderung und eine Abhängigkeit der Wirtschaft vom Staat, die dem Wettbewerb schaden könnte. "Wir dürfen uns auch nicht dazu verleiten lassen, immer nur zu fragen, an welcher Stelle uns der Staat unter die Arme greifen muss." So setzten die Unternehmen ihre Identität aufs Spiel. "Wir müssen auch mal den Mut haben zu sagen, wir wollen keine Subventionen, wir wollen im Handwerk einfach nur arbeiten."
Geschäftsmodelle vor dem Aus
Es gebe nicht nur Hoffnungslosigkeit in der Pandemie, aber nicht alles Bestehende könne auf lange Sicht gerettet werden. "Viele Geschäftsmodelle werden nicht einfach zurückkehren. Es ist besser, das Neue stärker zu fördern", sagte Ehlert. Die Politik müsse neben der Rettung auch den Wandel der Wirtschaft im Auge behalten und dafür stabile Rahmenbedingungen schaffen. Nur dann würden die Unternehmen Entscheidungen für die Zukunft treffen können. "Wir brauchen am Ende eine Strategie, die mehr Ruhe, mehr Souveränität und mehr Berechenbarkeit für die kommenden Jahre ausstrahlt."
Hans Peter Wollseifer. Foto: © ZDH/SchueringAuch auf der Bundesebene gebe es eine konjunkturelle Achterbahnfahrt, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer bei seinem Bericht aus Berlin. Es gebe in diesem Jahr voraussichtlich zum ersten Mal seit 2013 kein Umsatzwachstum. Der ZDH rechne vielmehr mit einem Rückgang von vier Prozent. Ebenso wie Ehlert forderte Wollseifer von der Politik, den Bürokratieabbau voranzubringen. Die Betriebe bräuchten steuerliche Entlastungen und mehr Liquidität. Das Ausbildungsengagement des Handwerks müsse gestärkt werden und die Berufsbildungseinrichtung müssten geöffnet bleiben und besser gefördert werden.
Stärkerer Einbruch als während der Finanzkrise
Gastrednerin war die Präsidentin der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Nordrhein-Westfalen, Margarete Müller. Auch sie sprach von "gravierenden Auswirkungen" der Corona-Pandemie auf Wirtschaft und Handwerk. Der Konjunktureinbruch in Deutschland sei im zweiten Quartal mit einem Minus von 9,7 Prozent deutlich stärker ausgefallen als während der Finanzkrise 2009. Das dritte Quartal brachte zwar Erholung, die Wirtschaftsleistung blieb aber unter dem Vorkrisenniveau. Die Experten der Bundesbank rechnen laut Müller, dass es im laufenden Quartal keine weitere Aufwärtsbewegung geben wird.
Beschlüsse:Der Handwerksrat hat während seiner Sitzung eine Resolution zum Netzinfrastrukturausbau beschlossen. Weitere Beschlüsse gab es zu den Themen wirtschaftliche Betätigung von Kommunen und Digitalisierung in Mittelstand und Verwaltung.
"Wie schnell es im kommenden Jahr wieder aufwärts geht, hängt von der Entwicklung der Pandemie ab." Zu rechnen sei nur mit einem verhaltenen Wachstum. Sie stimmte Ehlert zu, dass nun Verlässlichkeit für die Wirtschaft sehr wichtig sei. "Ein ständiges Hoch-und-runter-Fahren wäre Gift für die wirtschaftliche Entwicklung", betonte sie. Die Geldpolitik könne dazu beitragen, die Wirtschaft zu stabilisieren. Aber sie könne nicht für Einkommensverluste von Unternehmen aufkommen. "Hier muss die Finanzpolitik die Probleme direkt bei der Wurzel packen", erklärte Müller Das hätten die meisten Länder in Europa entschlossen getan. "Hätten die Regierungen darauf verzichtet, den wirtschaftlichen Einbruch abzufedern, wären die fiskalischen Kosten nach meiner Überzeugung am Ende noch sehr viel höher gewesen."
Nachhaltiges Wachstum fördern
Die Aufnahme von gemeinschaftlichen Schulden auf europäischer Ebene für das Hilfspakte "Next Generation EU" müsse eine einmalige Krisenmaßnahme bleiben. Die dauerhafte Kreditaufnahme sei nicht mit dem institutionellen Rahmen der EU vereinbar. "Es ist klar: Die Staatsschulden werden weltweit in diesem und wahrscheinlich auch noch im nächsten Jahr erheblich steigen. Wenn nach der Pandemie die wirtschaftliche Erholung einsetzt, müssen sie aber auch deutlich sinken." Es gelte nachhaltiges Wachstum zu fördern, zum Beispiel durch die Digitalisierung und eine klimafreundlichere Wirtschaft.
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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