Betriebsgeheimnisse: Ex-Mitarbeiter müssen nicht über alles schweigen
Eine Klausel, die Arbeitnehmer über sämtliche Vorgänge bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber für immer zum Schweigen verpflichtet, ist unwirksam. Denn sie benachteiligt die Betroffenen, entschied das Bundesarbeitsgericht.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Was Sie als Chef im Handwerk wissen müssen
Wer über seinen ehemaligen Betrieb bei seinem neuen Chef plaudert, riskiert mitunter, einen hohen Schadensersatz zu leisten. Denn viele Mitarbeiter sind in ihrem Arbeitsvertrag zur Geheimhaltung verpflichtet. Wie weit diese Klauseln aber reichen können und was nicht darin stehen darf, hat das Bundesarbeitsgericht in einer aktuellen Entscheidung aufgeschlüsselt.
Der Fall
Ein Produktentwickler bei einem Hersteller von Füllmaschinen für Lebensmittel und Getränke sollte laut seinem Arbeitsvertrag über alle Vorgänge im Unternehmen schweigen. Die Klausel verpflichtete ihn, "über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie alle sonstigen ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft Stillschweigen zu bewahren. (...) Die Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus und umfasst auch die Inhalte dieses Vertrages."
Der Mann verschickte später unter einem Pseudonym verschiedene E-Mails an ein konkurrierendes Unternehmen. Die Mails enthielten spezifische Leistungsdaten und Prozessparameter der Maschinen sowie Geometrie- und Toleranzdaten.
Als er davon erfuhr, verlangte der Arbeitgeber die Unterlassung, verbunden mit einer Vertragsstrafe. Dabei berief er sich auf die Verschwiegenheitsklausel des Arbeitsvertrags und das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Der Produktentwickler weigerte sich, diese abzugeben.
Das Urteil
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte sich auf die Seite des Arbeitnehmers. Die Pflicht zur uneingeschränkten Geheimhaltung über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus ist unwirksam, stellten die Bundesrichter klar. Es handele sich um eine sogenannte "Catch-all-Klausel", die uneingeschränkt und unendlich zum Schweigen verpflichten soll. Damit benachteiligt sie den Mitarbeiter unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht kann sich nur bei überwiegendem Interesse des Arbeitgebers am Schweigen des Arbeitnehmers allenfalls auf einzelne, konkret bestimmte Geschäftsgeheimnisse beziehen, erklärten die Erfurter Richterinnen und Richter. Eine umfassende Verpflichtung schränke die in Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers zu stark ein.
Wird kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach §§ 74 ff. HGB vereinbart, ist der Mitarbeiter nach Ende des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, dem Arbeitgeber keine Konkurrenz zu machen. Bei einer neuen Tätigkeit darf er seine im vorigen Job erworbene Erfahrungen und Wissen einsetzen – auch über Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse – und "in den Kundenkreis des Arbeitgebers eindringen" so das Urteil.
Geschäftsgeheimnis-Gesetz gilt auch für alte Fälle
Das BAG stellte außerdem klar, dass Arbeitgeber eine Unterlassung nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen auch vor dessen Inkrafttreten am 26. April 2019 verlangen können. Geschäftsgeheimnisse genießen danach aber nur Schutz, wenn der Arbeitgeber "angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen" ergreift (etwa vertragliche Regelungen, IT-Sicherheitsmaßnahmen, Zugangskontrollen). Das Gericht urteilte hier, dass der Betrieb die relevanten technischen Informationen nicht ausreichend durch angemessene Maßnahmen geschützt hatte.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Oktober 2024, Az. 8 AZR 172/2
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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