Paradigmenwechsel zugunsten der Berufsbildung
In seinem Neujahrsbrief formuliert der WHKT seine Ziele für dieses Jahr. Von der Politik fordert der Verband eine Stärkung des dualen Systems und der beruflichen Bildung.
Das Jahr 2022 hat mit einer traurigen Nachricht begonnen. Willy Hesse, langjähriger Präsident und Ehrenpräsident des WHKT, ist im Alter von 79 Jahren nach schwerer Krankheit am Neujahrstag gestorben. Das nordrhein-westfälische Handwerk hat Willy Hesse viel zu verdanken. Er hat gezeigt, was man durch ehrenamtliches Engagement bewegen kann. Als stolzer Dachdeckermeister hat er sich zeitlebens erfolgreich für das Ansehen des Handwerks eingesetzt.
Ehrenamtsakademie etablieren
Willy Hesses erfolgreiches Engagement ist uns Ansporn für die Zukunft. Denn auf ehrenamtlichen Einsatz kommt es auch in Zukunft entscheidend an. Für eine lebenswerte Gesellschaft, aber eben auch für die konkreten Belange des Handwerks. Deswegen werden wir den Aufbau der Ehrenamtsakademie des nordrhein-westfälischen Handwerks in diesem Jahr weiter entschlossen vorantreiben. Wir verfolgen dabei zwei Ziele: Wir wollen zum einen ehrenamtliches Engagement stärker aktivieren und auch Menschen ansprechen, die bislang unterrepräsentiert sind. Wir brauchen für das Ehrenamt im Handwerk mehr junge Menschen, mehr Frauen und mehr Menschen mit Migrationserfahrung. Zum anderen wollen wir jene, die sich bereits heute für das Handwerk stark machen, mit Weiterbildungs- und Netzwerkangeboten gezielt stärken. Wir freuen uns sehr, dass die ersten Angebote der Ehrenamtsakademie, die vom gesamten NRW-Handwerk getragen wird, so gut angenommen werden.
Klimaschutz nur mit dem Handwerk
Berthold Schröder Foto: © Kusch/HWK DortmundDas Jahr 2022 steht in NRW vor allem im Zeichen der Landtagswahl im Mai. Die Erwartungen des nordrhein-westfälischen Handwerks unter der Überschrift "Nachhaltigkeit, Bildung, Wachstum!", die wir in der WHKT-Vollversammlung und im NRW-Handwerksrat einstimmig beschlossen haben, sind für uns dabei Richtschnur. Entscheidend ist, dass die politischen Parteien erkennen: Nur mit dem Handwerk, seinen 190.000 Betrieben und 1,2 Millionen Beschäftigten in NRW, wird es nachhaltiges Wachstum und die notwendige Transformation hin zu mehr Klimaschutz geben. Nicht nur im Bereich der Gebäudesanierung gilt: Ohne das Handwerk sind die Klimaziele nicht zu erreichen. Genau deswegen haben wir die Arbeit an einer Nachhaltigkeits-Agenda des Handwerks begonnen. Es ist wichtig, dass wir unsere Lösungskompetenzen unterstreichen und uns aktiv in diese wichtige Debatte einschalten.
Bürokratie auf den Prüfstand stellen
Handwerksbetriebe brauchen Rahmenbedingungen, die es ihnen ermöglichen, ihren vielen Aufträgen nachzukommen. Das bedeutet insbesondere den Abbau unnötiger bürokratischer Lasten, damit sich die Betriebe nicht vornehmlich um Formulare kümmern müssen, sondern mehr Zeit für ihre Kundinnen und Kunden haben. Hier weisen auf Landesebene die diversen Entfesselungspakete der laufenden Legislaturperiode in die richtige Richtung. Dem derzeit noch im Landtag zu beratenden Mittelstandsförderungsgesetz kommt für die Zukunft große Bedeutung zu. Wir begrüßen es, dass die bewährte Clearingstelle Mittelstand unter Beteiligung des Handwerks als eine Art Bürokratie-TÜV gestärkt werden soll. Wir sind jedoch auch weiterhin der Überzeugung, dass die Clearingstelle – anders als im Entwurf vorgesehen – befugt sein sollte, eigenständig Überprüfungen von Rechtsakten anzuregen. Wir bitten den Landtag und die Abgeordneten, sich für ein solches Impulsrecht der Clearingstelle einzusetzen.
Fachkräftekatastrophe verhindern
Handwerksbetriebe benötigen Rahmenbedingungen, die sie bei der Entfaltung ihres Leistungspotentials unterstützen. Entscheidend ist, dass sie zukünftig Fachkräfte finden. Die Fachkräfte-Frage bereitet uns allergrößte Sorge. Denn die Entwicklung der vergangenen Jahre und Jahrzehnte wird den enormen Zukunftschancen des Handwerks in keiner Weise gerecht. Expertinnen und Experten sprechen bereits von einer sich anbahnenden Fachkräftekatastrophe im Handwerk. Junge Menschen suchen ihre Perspektiven zu selten in der beruflichen Bildung. Mit Milliarden-Investitionen ist der Wissenschaftsstandort NRW in den vergangenen Jahren international an die Spitze gelangt. Nordrhein-Westfalen kann auf exzellente Studienbedingungen verweisen. Diese Entwicklung ist gut und wichtig für unser Land. Doch wir müssen uns in Nordrhein-Westfalen und der gesamten Bundesrepublik endlich in gleicher Weise um die berufliche Bildung kümmern. Denn bei allen Erfolgsmeldungen des Hochschulstandorts NRW: Die Zahl der Studienabbrecher und jener Absolventinnen und Absolventen, die mit ihrem Studium kaum ihr Potential ausschöpfen und deren berufliche Perspektiven sehr begrenzt sind, ist deutlich zu hoch. Viele dieser jungen Menschen fehlen im Handwerk und verpassen enorme Aufstiegsperspektiven.
Berufsbildung stärken
Mit Blick auf die kommende Legislaturperiode in Nordrhein-Westfalen brauchen wir einen Paradigmenwechsel zugunsten der beruflichen Bildung. Drei Punkte sind dafür zunächst entscheidend: Mehr Geld für die berufliche Bildung insgesamt, bessere Steuerung der Berufskollegs im Sinne der dualen, betrieblich verantworteten Ausbildung sowie die weitere Verbesserung der Berufsorientierung in allen Schulformen. Hier haben wir in NRW mit "Kein Abschluss ohne Anschluss" eine gute und vor allem funktionierende Struktur, die es allerdings jetzt weiter zu optimieren gilt.
Drittelfinanzierung kommt
Die Landesregierung hat der beruflichen Bildung in den vergangenen Monaten an wichtigen Stellen bereits Rückenwind gegeben. Zu jedem Zeitpunkt der Pandemie war klar, dass die Ausbildung junger Menschen unter einem besonderen Schutz steht sowie Gesellen- und Abschlussprüfungen Priorität besitzen. Ein richtig großer Erfolg für das Handwerk ist zudem die Nachricht, die uns aus dem NRW-Arbeitsministerium kurz vor Weihnachten erreichte. Als erstes Bundesland wird Nordrhein-Westfalen seine Förderung für die Grund- und Fachstufenlehrgänge der Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung (ÜLU) im Handwerk auf ein Drittel der Kosten anheben. Das bedeutet konkret, dass im Jahr 2022 rund sieben Millionen Euro mehr in die ÜLU fließen. Die Betriebe werden entlastet. Dafür haben wir lange gekämpft und damit setzt NRW Maßstäbe bei der Unterstützung der dualen Ausbildung. In diesem Jahr, gerade bei den Koalitionsverhandlungen für eine neue Landesregierung, kommt es darauf an, diese Drittelfinanzierung nachhaltig festzuzurren, weil der beruflichen Bildung diese Unterstützung zusteht.
Digitalisierung vorantreiben
Matthias Heidmeier Foto: © WHKTEin weiteres wichtiges Ziel unserer Arbeit im vergangenen Jahr war, die Betriebe konkret bei der Digitalisierung zu unterstützen. Wir begrüßen es daher sehr, dass das NRW-Wirtschaftsministerium in Form des Programms "Mittelstand Innovativ & Digital" eine Digitalisierungsprämie aufgelegt hat. Vor wenigen Tagen hat Minister Andreas Pinkwart angekündigt, dass das Programm, das gerade auch die kleinen und mittleren Betriebe des Handwerks unterstützen soll, um 30 Millionen Euro im Jahr 2022 ergänzt wird. Wir haben uns bei der Gestaltung des Förderprogramms intensiv eingebracht und sehen uns daher Rahmenbedingungen gegenüber, die gerade kleinen Betrieben bestmöglich gerecht werden.
Handwerker in der Pandemie vorbildlich
Das Jahr 2022 beginnt leider mit einer sich aufbauenden massiven 5. Welle der Pandemie. Fast zwei Jahre beschäftigt uns nun die Bekämpfung des Corona-Virus. An dieser Stelle bleibt der Dank an alle Handwerkerinnen und Handwerker, die sich in der Pandemie vorbildlich verhalten und so dafür sorgen, dass unser Land sicher und stabil funktioniert. Natürlich führt die Pandemie mit ihren Einschränkungen zu Frust und Resignation bei vielen Menschen. Auch wenn der Weg länger ist als geplant, wird uns nur das Impfen aus der Pandemie führen. Wir glauben, dass es heute mehr denn je darauf ankommt, den Zusammenhalt zu betonen und diesen zu leben. Das Engagement vieler guter Menschen und stiller Helden, sei es auf den Intensivstationen, in den Impfzentren, in der Pflege oder im Ehrenamt, ist nicht nur bemerkenswert, sondern auch das Fundament für eine gute Zukunft und eine Gesellschaft, in der es zu leben lohnt.
Innovationen fördern
Für das Handwerk ist vollkommen klar: Wir wollen nicht meckern, sondern mitmachen, wenn es um die Zukunft unseres Landes geht. Genau deswegen freuen wir uns, dass wir mit der Landesregierung und dem NRW-Wirtschaftsministerium einen Innovationsdialog Handwerk vereinbaren konnten, der in diesem Jahr beginnt. Der Innovationsdialog ist eine echte Chance, die Zukunftsthemen des Handwerks gemeinsam anzupacken.
Ihnen alles Gute, Gesundheit und ein erfüllendes Jahr.
Westdeutscher Handwerkskammertag
Berthold Schröder, Präsident
Matthias Heidmeier, Hauptgeschäftsführer
Text:
WHKT /
handwerksblatt.de
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