Andreas Ehlert lobt die aktuelle Landesregierung für ihre Arbeit. Im Vergleich zu den anderen Bundesländern müsse NRW aber immer noch aufholen.

Andreas Ehlert lobt die aktuelle Landesregierung für ihre Arbeit. Im Vergleich zu den anderen Bundesländern müsse NRW aber immer noch aufholen. (Foto: © Ingo Lammert)

Vorlesen:

NRW-Landespolitik: "Es bleibt noch einiges zu tun"

Handwerkspolitik

Der nordrhein-westfälische Handwerkspräsident, Andreas Ehlert, analysiert die aktuellen Rahmenbedingungen für den Mittelstand in NRW und gibt der künftigen Landesregierung Handlungsempfehlungen an die Hand.

Schon Ende des letzten Jahres hat sich das nordrhein-westfälische Handwerk mit seinen Wahlprüfsteinen für die kommende Landtagswahl in Stellung gebracht. Andreas Ehlert, Präsident von Handwerk.NRW, bewertet die Arbeit der aktuellen Landesregierung und spricht über Maßnahmen, die die künftige Regierung aus Sicht des Handwerks zu ergreifen hat.

DHB: Herr Ehlert, Sie stellen der aktuellen Landesregierung ein ordentliches Zeugnis aus. Was hat sie aus Ihrer Sicht richtig gemacht?
Ehlert:
Nordrhein-Westfalen ist unter der jetzigen Landesregierung ein gutes Stück vorangekommen. Dabei wurde an den richtigen Stellschrauben gedreht: Digitalisierung, bürokratische Entfesselung, Rekordinvestitionen in die Infrastruktur und die Stärkung der beruflichen Bildung. Hier sind vor allem die Einführung des landesweiten Azubitickets und die zuletzt angekündigte Aufstockung der Förderung der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung hervorzuheben. Das waren wichtige Signale in Richtung Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. Auf der Habenseite steht zudem die Umsetzung der allermeisten Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission zur Zukunft des Handwerks – von der Erhöhung der Meistergründungsprämie bis zur Eröffnung des digitalen Gewerbeamts.

DHB: Das nordrhein-westfälische Handwerk betont, dass NRW im Vergleich mit den anderen Bundesländern nicht zu stark abfallen dürfe. An welcher Stelle sehen Sie das Land aktuell?
Ehlert:
Bei wichtigen Parametern wie Wirtschaftswachstum, öffentliche Investitionen oder Bildung lag Nordrhein-Westfalen viele Jahre im Ländervergleich nur im unteren Mittelfeld. In den letzten Jahren hat unser Land aber an Boden gutgemacht. Insgesamt erkennen wir wieder mehr politischen Willen, vorne mitzuspielen und die Zukunft anzupacken. Genau diesen Weg müssen wir jetzt konsequent weitergehen. Als größtes und wirtschaftlich stärkstes Bundesland muss NRW den Anspruch haben, zur Spitzengruppe der Länder zu gehören.

DHB: In welchen Bereichen muss es die Aufgabe einer neuen Landesregierung sein, Boden gutzumachen?
Ehlert:
Für die künftige Landesregierung bleibt noch einiges zu tun, um Nordrhein-Westfalen als Wirtschafts- und Bildungsstandort weiter nach vorne zu bringen. Dazu gehören steuerliche Entlastungen – etwa bei der Grunderwerbsteuer – und eine systematische Fortführung des Bürokratieabbaus. Konkreter Handlungsbedarf besteht hier aus meiner Sicht bei der Grundsteuer. Durch die Übernahme des komplizierten Bundesmodells mit eingebauter Steuerprogression galoppiert da ein echtes Bürokratiemonster auf alle Eigentümer zu. Es ist noch nicht zu spät, sich wie andere Bundesländer für ein einfacheres und transparenteres Modell zu entscheiden. Zudem brauchen wir eine konsequente Qualitätsstrategie im Bildungswesen. Nordrhein-Westfalen hat im Bundesländervergleich seit Langem Defizite wegen schlechter Betreuungsrelationen, auffälliger Kompetenzdefiziten bei den Schülern und niedriger Bildungsausgaben. Auch da gilt: Unser Bundesland kann mehr!

Das könnte Sie auch interessieren:

DHB: Nachhaltigkeit, Bildung, Wachstum. Unter dieser Überschrift stehen die Forderungen des Handwerks für die kommende Wahlperiode. Warum ist gerade dieser Dreiklang wichtig für die Betriebe und das Land?
Ehlert:
Nachhaltigkeit ist ein umfassender Anspruch an unsere Wirtschafts- und Lebensweise. Als Handwerk leisten wir dazu bei der Gebäudesanierung, bei der Energietechnik, in der Mobilität, bei Gesundheit und Ernährung oder bei Produkten und Dienstleistungen des privaten Bedarfs täglich einen ganz konkreten Beitrag. Aus dieser Erfahrung heraus formulieren wir unsere Erwartungen an die künftige Landespolitik. Wir sind der Auffassung, dass sich die besten technologischen Lösungen im Wettbewerb herausbilden müssen, ohne Vorgaben aus der Politik, wie diese technologischen Antworten zu lauten haben. Ein konkretes Beispiel: Natürlich unterstützen wir als Handwerk den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen. Aber eine Solardachpflicht für jedes private oder gewerbliche Gebäude ist der falsche Weg und würde zu ineffizienten Investitionen führen. Und wenn Politik den Unternehmen mehr Nachhaltigkeit abverlangt, darf sie selbst nicht hektisch fördern, priorisieren und umdirigieren. Hier gab es in der Vergangenheit viel zu viel Durcheinander und Widersprüchlichkeit. Wichtig ist, dass der Staat verlässliche Rahmenbedingungen für eine quirlige Innovationskultur setzt und die Auswahl der Technologien nicht einschränkt. Denn Innovation fängt da an, wo die Fantasie der Politik aufhört. Wachstum haben wir betont, weil nur eine starke Wirtschaft erfolgreich im Klimaschutz sein und den Menschen Lebensperspektiven geben kann. Die beste Sozialpolitik ist eine Politik, die es der Wirtschaft ermöglicht, innovativ zu sein und Arbeitsplätze zu schaffen. Und zuletzt steht Bildung bei uns ganz vorne, weil gut ausgebildete Fachkräfte die Grundlage für die Erreichung wirtschaftlicher und klimapolitischer Ziele sind. Was nützen uns all die Klimanetzwerker und Umweltpädagogen, wenn es am Ende an Handwerkern fehlt, die Heizungsanlagen erneuern oder Dächer sanieren? Wir brauchen weniger Mundwerker und mehr Handwerker. Die bekommen wir nur mit einer noch wesentlich umfassenderen Wertschätzung und Stärkung der beruflichen Bildung.

DHB: Welche Rolle spielt das Handwerk bei der Bewältigung dieser Herausforderungen?
Ehlert:
Mehr Klimaschutz erreichen wir in Nordrhein-Westfalen nicht durch einen Wettlauf um immer ambitioniertere Obergrenzen des CO2-Ausstoßes, sondern durch die erfolgreiche Umsetzung konkreter Maßnahmen. Das geht nur mit dem Handwerk, das dafür die technischen Kompetenzen mitbringt und innovative Lösungen im Markt umsetzen kann. Auch für die Zukunft der beruflichen Bildung ist das Handwerk als einer der größten Ausbilder in Nordrhein-Westfalen ein unerlässlicher Partner. Jedes Jahr starten etwa 30.000 junge Menschen in einem unserer 130 Handwerksberufe in ihre berufliche Zukunft.

DHB: Welche Rahmenbedingungen brauchen die in erster Linie mittelständischen Betriebe des Handwerks, um wettbewerbsfähig und innovativ bleiben zu können?
Ehlert:
Über die Steuerlast, Fachkräftesicherung und bürokratische Hürden habe ich bereits gesprochen. Eine weitere besonders wirksame Vorkehrung gegen eine administrative Überforderung des Mittelstands wäre die Ausweitung der Kompetenz der Clearingstelle Mittelstand durch ein Initiativrecht bei der Überprüfung von bereits bestehenden Gesetzen, Verordnungen und Erlassen. Damit würde Nordrhein-Westfalen neue Maßstäbe in der Mittelstandspolitik setzen. Außerdem brauchen wir eine striktere Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen. Für uns ist klar: Die wirtschaftliche Betätigung kommunaler Tochtergesellschaften muss dort ihre Grenze finden, wo sie die Entfaltung privatwirtschaftlicher Initiative behindert und in Konkurrenz zu Unternehmen des Handwerks tritt. Mit großer Sorge sehe ich auch die zukünftige Entwicklung der Sozialabgaben und damit die Kostenbelastung der personalintensiven Betriebe des Handwerks. Es ist unbegreiflich, dass die neue Bundesregierung kein tragfähiges Konzept zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Sozialversicherung vorgelegt hat. Ein Anstieg der Beiträge über die 40-Prozent-Marke ist damit vorprogrammiert. Jeder Euro mehr bei den Sozialabgaben erhöht aber die Kosten für unsere Betriebe und verringert den Nettolohn der Beschäftigten. Hier braucht es dringend nachhaltige Reformen.

DHB: Welche Akzente kann und sollte Nordrhein-Westfalen mit Blick auf die Bundes- und Europapolitik setzen?
Ehlert:
Nordrhein-Westfalen muss als großer Standort für Industrie und Mittelstand die Stimme wirtschaftlicher Vernunft in Berlin und Brüssel sein. Es muss eigene Reformimpulse setzen und bei allen Vorlagen darauf achten, ob die Folgen für kleine und mittlere Unternehmen konsequent mitbedacht wurden. Gerade in der Europapolitik muss das sehr frühzeitig passieren, denn oft ist das Kind längst in den Brunnen gefallen, wenn in der Kommission oder im Parlament die Dinge offiziell spruchreif werden.

Die Fragen stellte Lars Otten

DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale DHB registrieren!

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: