"Deutschland braucht einen positiven Entwurf für die Zukunft"
Der ZDH hat seine Erwartungen zur im September anstehenden Bundestagswahl formuliert. Die Herausforderungen seien gewaltig, dafür brauche es einen Gestaltungsplan auf der Grundlage der sozialen Markwirtschaft.
Die Corona-Pandemie mit Lockdown Kontaktbeschränkungen, geschlossenen Betrieben und Schulen hat die Welt beinahe zum Stillstand gebracht. Um mehr Bewegung in die Wirtschaft zu bringen sei es wichtig, die Betriebe und deren Beschäftigte zu unterstützen. Doch das allein reiche nicht aus. Das betont der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Der Verband hat seine Erwartungen zur im September anstehenden Bundestagswahl veröffentlicht. Auch ohne Corona seien die Herausforderungen für die Zukunft gewaltig. "Wer Verantwortung übernehmen will, braucht einen positiven Entwurf für die Zukunft. Einen Gestaltungsplan für unser Land, mit dem Ziel, Wohlstand und Beschäftigung langfristig zu sichern. Natürlich auf der Grundlage unserer sozialen Markwirtschaft", fordert der ZDH.
Erwartungen des HandwerksHier finden Sie den ausführlichen Forderungskatalog des ZDH.Auf 24 Seiten fasst der ZDH seine Forderungen in vier Bereichen zusammen. Der Titel lautet: "Wissen, was zu tun ist. Für uns. Für alle. Für eine gute Zukunft". Darin enthalten: Forderungen und Vorschläge in vier verschiedenen Themengebieten. Den Anfang macht der ZDH mit dem Bereich "Betriebe stärken". Auf die richtigen Rahmenbedingungen komme es hier an, damit das Handwerk auch künftig wettbewerbsfähig bleiben kann. Ein "wesentlicher Belastungsfaktor" seien etwa die Lohnnebenkosten. Der ZDH fordert: Die Beiträge zu den Sozialversicherungen dürften auch über 2021 hinaus nicht über 40 Prozent steigen und Betriebe mit ihren Beschäftigten stärker entlastet werden. "Belastbarkeit und soziale Absicherung müssen für heutige und künftige Generationen in Einklang gebracht werden."
Wachstumsimpulse gefordert
Ebenso wichtig dafür seien Wachstumsimpulse für eine schnelle Erholung der Konjunktur und Bürokratieentlastungen. Im Mittelpunkt der Arbeitsmarktpolitik müsse die Sicherung und der Aufbau von Beschäftigung stehen. Die Betriebe bräuchten einen rechtssicheren Rahmen, der bürokratische Belastungen auf ein notwendiges Maß beschränkt und Freiräume zur Ausschöpfung wirtschaftlicher und innovativer Potenziale unter Wahrung von Arbeitnehmerrechten gewährleistet. "Eine passgenaue, auf die überwiegend kleinbetrieblichen Strukturen der Handwerksbetriebe und ihrer Beschäftigten ausgerichtete Rechtsetzung ist hierfür ebenso unerlässlich wie mehr Vertrauen in die Rechtstreue der Betriebe", betont der ZDH.
Betriebe stärken, Kernforderungen:
- Konsequenter Abbau unnötiger Bürokratie,
- Belastungsmoratorium für eine schnelle Erholung in der Corona-Pandemie,
- verpflichtender KMU-Test für Gesetzesvorhaben auf europäischer Ebene,
- Erleichterung von Dokumentationspflichten,
- Gesetzgebung praxistauglich gestalten,
- dauerhafte Beitragsstabilität bei den Sozialversicherungen,
- Finanzierbarkeit der Rentenversicherung zukunftssicher gestalten,
- obligatorische Pflegevorsorge mit staatlicher Förderung für Arbeitnehmer einführen,
- Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge zurücknehmen,
- flexiblere Regelungen im Arbeitsgesetz,
- Unternehmenssteuerreform, steuerliche Belastung auf 25 Prozent reduzieren,
- Steuererhöhungen und Vermögensteuer vermeiden,
- Verlustrücktrag ausweiten,
- keine Hürden für handwerkstypische Kreditfinanzierung,
- Anhebung der 450-Euro-Grenze für Minijobs auf 600 Euro,
- Fach- und Teillosevergabe bei öffentlichen Aufträgen stärken,
- öffentliche Aufträge nur an tarifgebundene Unternehmen vergeben,
- ÖPP-Modelle begrenzen,
- Katalog unzulässiger AGB-Klauseln erweitern,
- nationale Normungsstrategie Handwerk umsetzen.
Im zweiten Themenkomplex geht es um die Qualifizierung von Fachkräften. Angesichts des demografischen Wandels stehe das Handwerk vor Schwierigkeiten bei der Fachkräftesicherung. Ein essenzieller Faktor sei hier die Ausbildung, die mit der Corona-Pandemie zusätzlich unter Druck gerät. Dennoch hielte die Betriebe an ihrem Ausbildungsengagement fest. Damit das so bleibt, gelte es die Ausbildungsstrukturen fair und angemessen zu finanzieren.
Mehr Wertschätzung für die Berufsbildung
"Für eine nachhaltige Fachkräfteversorgung braucht es zudem mehr Wertschätzung für die berufliche Bildung und eine Gleichwertigkeit mit der akademischen Bildung", fordert der ZDH. Die Politik müsse Ausbildungsbetriebe und Auszubildende entlasten, etwa mit einer bundesweiten Ausweitung des Azubitickets oder dem Ausbau von Azubi-Wohnangeboten. Die Konditionen verschiedener Förderprogramme müssten verbessert werden ebenso wie technische Ausstattung der überbetrieblichen Lehrstätten und Berufsschulen.
Fachkräfte qualifizieren, Kernforderungen:
- Gleichwertigkeit der Bildungssystem rechtsverbindlich regeln,
- Exzellenzstrategie und Ausweitung der Aufstiegsfortbildungsförderung,
- frühzeitige Berufsorientierung an allen Schulen,
- Qualitätsberater und ehrenamtliches Mentorenprogramm unbefristet fördern,
- Fachkräftesicherung in strukturschwachen, ländlichen Räumen stärken,
- Drittelfinanzierung der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung umsetzen,
- Investitionen in Berufsbildungsstätten erhöhen,
- Zugang von Handwerksbetrieben zu EU-Förderprogrammen sichern,
- Förderung von Weiterbildungen auf kleine Betriebe und deren Mitarbeiter zuschneiden,
- Digitalisierung in der Berufsbildung antreiben,
- Zuwanderung beruflich qualifizierter Fachkräfte praxistauglich steuern,
- Westbalkanregelung verlängern,
- Dienstleistungsfreiheit in der EU stärken.
Weiter geht es mit dem Bereich Digitalisierung. Der damit einhergehende Strukturwandel werde durch die Pandemie noch einmal beschleunigt, und die Betriebe des Handwerks versuchten die Chancen des technologischen Wandels zu nutzen. Sie seien dabei aber auf die richtigen Rahmenbedingungen angewiesen. Handlungsbedarf bestehe bei der flächendeckenden Versorgung mit digitaler Infrastruktur, digitalen Kompetenzen und fairen Datenzugänge.
Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben
"Öffentliche und private Investitionen sind für die Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand in Deutschland unverzichtbar und für das Handwerk ein zentrales Element seiner Standortqualitäten." Wichtig für die Unternehmen sei auch, dass die öffentliche Verwaltung der Digitalisierung nicht hinterherläuft. Viele Anträge könnten nicht digital gestellt und bearbeitet werden. Dies führe zu langen Bearbeitungszeiten. Der ZDH fordert: "Hier muss schnell nachgebessert werden, indem die Digitalisierung der Verwaltung vorangetrieben wird."
Digitalisierung vorantreiben, Kernforderungen:
- Flächendeckender Zugang zu schnellem Internet,
- Unterstützungsangebot des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk weiter fördern,
- fairer Datennutzungszugang auf nationaler und europäischer Ebene,
- öffentliche Verwaltung digitalisieren,
- Verwaltungsverfahren verschlanken,
- Grundsatz der einmaligen Datenerfassung umsetzen,
- elektronische Kommunikation mit der Finanzverwaltung ausbauen,
- digitale Geschäftsmodelle angemessen besteuern,
- das bestehende Informations-, Beratungs- und Technologietransfernetzwerk des Handwerks ausbauen und die beihilferechtlichen Anforderungen vereinfachen,
- kleinbetriebliche Strukturen bei der rechtlichen Arbeitsgestaltung berücksichtigen.
Den Abschluss macht das Thema Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit sei in verschiedenen Bereichen Teil der DNA des Handwerks: generationenübergreifende Betriebsführung, Fachkräfteausbildung, Wissenstransfer. Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft. "Dieses Engagement muss bei der Debatte über die nachhaltige Entwicklung Deutschlands stärker einbezogen werden", so der ZDH. Klimapolitische Ziele fänden große Zustimmung, allerdings sei die dazugehörigen Maßnahmen oft praxisfern und mit steigendem Bürokratieaufwand verbunden.
Klimapolitik nur mit internationalen Absprachen
Der Verband fordert deswegen einen Kurswechsel. "Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit müssen gleichgewichtige Ziele der Energiepolitik darstellen." Erfolgreich könne Klimapolitik nur mit weitergehenden internationalen Absprachen sein. Auf regionaler Ebene sei das Handwerk auf lebendige Innenstädte, starke Ballungszentren und ländliche Räume sowie eine leistungsfähige Infrastruktur angewiesen, um seiner wichtigen Rolle für die Nahversorgung gerecht werden zu können.
Nachhaltigkeit gestalten, Kernforderungen:
- Nachhaltigkeitspotenziale der Handwerksbetriebe stärker berücksichtigen,
- technologieoffenen Marktrahmen schaffen,
- CO2-Bepreisung und Emissionsminderungsziele handwerksgerecht festlegen,
- EEG-Umlage aus dem Bundeshaushalt finanzieren,
- EEG-Umlage auf Eigenstromverbrauch abschaffen,
- Stromsteuer auf europarechtlichen Mindestsatz reduzieren,
- Entsorgungsmöglichkeiten einfach gestalten,
- Auswirkungen von Vorgaben für Klimazielen auf Handwerksbetriebe frühzeitig prüfen,
- Zugang zu Finanzierungen für Investitionen in Klimaschutz und Energiewende erleichtern,
- 50 km-Begrenzung bei der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur abschaffen,
- bezahlbaren Wohnraum sicherstellen,
- Baurecht und Städtebauförderung handwerksgerecht für eine verträgliche Nutzungsmischung weiterentwickeln,
- staatliche Kinderbetreuung ausbauen.
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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