Auch Klein- und Kleinstbetrieben Gehör verschaffen
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat ihren Umsetzungsbericht zu den Empfehlungen der Enquetekommission Handwerk vorgelegt. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart spricht über die Bedeutung der Kommission auch über die Landesgrenzen hinweg.
Die Enquetekommission zur Zukunft von Handwerk und Mittelstand in NRW war von 2015 bis 2017 aktiv. Die überfraktionelle Arbeitsgruppe war bundesweit die erste zum Thema Handwerk. Ergebnis ihrer Arbeit war ein Abschlussbericht mit 171 Handlungsempfehlungen. Nach der Landtagswahl im Mai 2017 verpflichtete sich die neue schwarz-gelbe Regierung, diese Empfehlungen umzusetzen. Nun hat sie ihren Umsetzungsbericht vorgelegt. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) spricht über die Bedeutung der Arbeit der Kommission in NRW und auch über die Landesgrenzen hinweg.
DHB: Herr Minister Pinkwart, die Enquetekommission zur Zukunft von Handwerk und Mittelstand in NRW war bundesweit die erste Kommission zum Thema Handwerk. Warum war es wichtig, eine solche Kommission einzusetzen?
Pinkwart: Mit über 190.000 Betrieben ist das Handwerk flächendeckend ein sehr wichtiger Wirtschaftszweig in Nordrhein-Westfalen. Es handelt jedoch meistens um Klein- und Kleinstbetriebe, die sich einzeln wenig Gehör verschaffen können. Die Enquetekommission hat dazu beigetragen, bei allen Fraktionen die große Bedeutung des Handwerks stärker ins Bewusstsein zu rücken und das Engagement für Handwerkpolitik als Querschnittsaufgabe zu verstärken. Dazu hat vor allem die starke Einbindung der Handwerksorganisationen in die Kommission entscheidend beigetragen.
DHB: Die schwarz-gelbe Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet, die 171 Handlungsempfehlungen umzusetzen. Welche Rolle hat dafür der überparteiliche Konsens gespielt, mit dem die Empfehlungen verabschiedet wurden?
Pinkwart: Durch die einstimmige Verabschiedung der Empfehlungen waren alle Beteiligten in der Landesregierung und in den verschiedenen Handwerksorganisationen stark am Erfolg des Umsetzungsprozesses interessiert. Von allen Seiten wurde engagiert zugearbeitet, die Kommunikation war von Anfang an stets konstruktiv und lösungsorientiert. Parteipolitische Präferenzen spielten bei der Umsetzung kaum eine Rolle. Daher zeigen sich jetzt auch alle mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
DHB: Rund 90 Prozent der Empfehlungen sind laut dem jetzt vorliegenden Abschlussbericht zur Umsetzung mindestens teilweise realisiert. Gibt es aus Ihrer Sicht noch Maßnahmen, die dringend auf den Weg gebracht werden sollten?
Pinkwart: Vor allem ist es notwendig, die verschiedenen Karrierewege im Handwerk zu unterstützen, um dem akuten Fachkräftemangel zu begegnen. Dazu müssen die begonnene Aufwertung der beruflichen Bildung weiter verstärkt und neue Zielgruppen gewonnen werden. Auf der Bundesebene ist ein größeres Engagement beim Thema Alterssicherung von Selbstständigen und Mitarbeitenden im Handwerk wichtig, um die Attraktivität einer Tätigkeit im Handwerk zu verbessern. Außerdem müssen die Digitalisierung vorangebracht und bürokratische Hürden abgebaut werden. Die Liste ist sehr lang, daher haben wir alles was zu tun ist, in "13 Zukunftsaufgaben der Handwerkspolitik" zusammengefasst.
UmsetzungsberichtMehr zum Umsetzungsbericht der nordrhein-westfälischen Landesregierung lesen Sie hier: Enquete: Handwerkspolitik zur Querschnittsaufgabe gemachtDHB: Welche der umgesetzten Empfehlungen sind besonders wichtig für das Handwerk?
Pinkwart: Ich möchte mich hier an das halten, was wir auf Landesebene direkt zu verantworten haben. Zwei für junge Menschen wichtige Maßnahmen sind das neue „Azubi-Ticket“, für den Nahverkehr in ganz NRW und auch die Einführung des Schulfachs "Wirtschaft-Politik", mit dem junge Menschen viel über ökonomische Zusammenhänge lernen können. Da können dann auch zum Beispiel junge Handwerksmeisterinnen und -meister in vielen Schulklassen ihre Gewerke vorstellen. Mit dem Arbeitsministerium haben wir den "Modernisierungspakt Berufliche Bildung" auf den Weg gebracht, durch den die überbetrieblichen Bildungszentren saniert und digitalisiert werden können. Unser Wirtschafts-Service-Portal.NRW ist für die ganze Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen wichtig. Das WSP ermöglicht auch für viele Handwerksunternehmerinnen und -unternehmer Behördengänge vom Sofa aus. Und mit der runderneuerten und verbesserten Meistergründungsprämie unterstützt das Land junge Gründerinnen und Gründer auf ihrem Weg zu einem eigenen Handwerksbetrieb. Die Liste könnte ich erheblich verlängern, wichtig ist, dass vom Arbeits- über das Verkehrs- bis zum Bildungsministerium alle Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung an einem Strang gezogen haben.
DHB: Sie bescheinigen dem Bericht der Enquetekommission eine Wirkung, die über die Grenzen Nordrhein-Westfalens hinausgeht. Welche politischen Prozesse konnten mit der Arbeit der Kommission außerhalb des Landes angestoßen werden?
Pinkwart: Wir wissen, dass der Enquetebericht in allen Bundesländern, von der Bundesregierung und auch von allen Handwerksorganisationen intensiv studiert wurde. Er hat insbesondere dazu beigetragen, dass in allen Ländern die Notwendigkeit der Stärkung der beruflichen Bildung deutlich erkannt und Maßnahmen verstärkt wurden. Einige Empfehlungen haben Eingang in den Koalitionsvertrag der letzten Bundesregierung gefunden – insbesondere seien hier die Verbesserungen beim Ausbildungs-BAföG und beim Berufsbildungsgesetz genannt. Manche Bundesländer haben sich bei ihrer eigenen Handwerksagenda sichtlich am Enquetebericht orientiert. Aufgrund der überparteilichen Empfehlungen gab es keine Scheu, sich an den Ideen der Enquete zu bedienen und genau dafür ist so eine Kommission da.
DHB: Inwiefern kann die Zusammenarbeit der Landesregierung mit dem Handwerk bei der Umsetzung der Aufgaben auch für künftige Regierungen als Vorbild dienen?
Pinkwart: Die Zusammenarbeit war von Vertrauen geprägt, gleichzeitig haben Handwerk und Landesregierung gegenseitiges Verständnis dafür gezeigt, dass sie unterschiedliche Interessen wahrzunehmen haben. Die Handwerksorganisationen repräsentieren sehr viele, aber kleine Unternehmen. Daher entsteht bei einer engen Zusammenarbeit der Landesregierung mit einer Branche nicht der Verdacht der Bevorzugung bestimmter Unternehmen. Deshalb kann diese Form der Zusammenarbeit dort als Vorbild dienen, wo es um Branchen mit ebenso kleinen Betriebsstrukturen geht.
DHB: Das Handwerk identifiziert Fachkräftesicherung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit als wichtige Zukunftsthemen. Was kann auch die Politik tun, damit das Handwerk hier in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt?
Pinkwart: Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass sich das Handwerk so entwickeln kann, wie es ökonomisch und gesellschaftlich sinnvoll ist. Unternehmerisch handeln müssen dann die Betriebe selbst. Die Politik sorgt für digitale Infrastruktur, die Unternehmen entwickeln ihre digitalen Anwendungen und Verfahren weiter; die Politik setzt den CO2-Preis fest und die Unternehmen haben dadurch Anreize, ihren Fußabdruck zu reduzieren; die Politik sorgt für attraktive berufliche Bildungsstätten und die Unternehmen machen sich selbst attraktiv, um engagierte Fachkräfte ausbilden und für sich gewinnen zu können. Wichtig ist es, immer im Gespräch zu bleiben, daher werden wir die Zusammenarbeit in Form eines "Innovationsdialog Handwerk" weiter fortsetzen.
Die Fragen stellte Lars Otten
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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