Neue Regeln für digitale Märkte
Die EU-Kommission hat ein Gesetzpaket für die Reform des digitalen Raums vorgestellt. Es enthält zwei Gesetzentwürfe, die für einen faireren Wettbewerb sorgen sollen. Die Regeln seien wichtig für KMU, damit sie Chance in der Plattformökonomie haben, sagt das Handwerk.
Sichere Produkte und Dienstleistungen. Freie Geschäftstätigkeit im Online-Raum und fairer Wettbewerb. Das sind Stichworte, die die Europäische Kommission in Zusammenhang mit ihrer geplanten Reform des digitalen Raums nennt. Dazu hat sie nun ein Paket mit zwei Gesetzentwürfen vorgelegt. Darin enthalten: das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) und das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA).
"Beide Vorschläge dienen einem Ziel: Wir sorgen dafür, dass wir als Nutzer Zugang zu einer breiten Palette von sicheren und Produkten und Diensten im Internet haben. Und die Unternehmen sollen in Europa frei ihrer Geschäftstätigkeit im Online-Raum nachgehen und in einen fairen Wettbewerb treten können, so wie sie es auch außerhalb des Internets tun", sagt die Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager.
Modernes Regelwerk
Die EU-Kommission erhofft sich durch ein "modernes Regelwerk" Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Dabei will sie auch kleinere Plattformen, kleine und mittlere Unternehmen und Start-ups in den Blick nehmen und ihnen den Zugang zu Kunden im gesamten Binnenmarkt erleichtern. Neue Vorschriften sollen verhindern, dass große Online-Plattformen, die zu Torwächtern geworden sind, ihre Marktmacht unfair einsetzen.
Die europäischen Werte wie Achtung der Menschenrechte, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit sollen bei beiden Gesetzentwürfen im Mittelpunkt stehen. "Mit harmonisierten Vorschriften, Vorabverpflichtungen, besserer Beaufsichtigung, zügiger Durchsetzung und abschreckenden Sanktionen werden wir dafür sorgen, dass alle, die digitale Dienste in Europa anbieten und nutzen, von Sicherheit, Vertrauen, Innovation und Geschäftsmöglichkeiten profitieren", betont Binnenmarktkommissar Thierry Breton.
Fairere und offenere digitale Märkte
Das DSA beinhaltet EU-weit verbindliche Regeln für alle digitalen Dienste, die "Waren, Dienstleistungen oder Inhalte vermitteln". Es soll ein Gleichgewicht der Rechte und Verantwortlichkeiten der Nutzer, der vermittelnden Plattformen und der Behörden herstellen. So will die Kommission fairere und offenere digitale Märkte schaffen. Für Plattformen, die mehr als 45 Millionen Nutzer (zehn Prozent der EU-Bevölkerung) erreichen, legt sie besondere Aufsichtspflichten fest, denn solche Plattformen seien systemrelevant.
Ein Gremium nationaler Koordinatoren soll einen "Rechenschaftsrahmen" schaffen. Darin behält die Kommission sich besondere Befugnisse vor. Dazu soll auch die Möglichkeit gehören, große Plattformen direkt zu sanktionieren. Die Rechte der Online-Unternehmen sollen gewahrt, die Pflichten durchgesetzt werden. Andere Unternehmen sollen von Werkzeugen zur Meldung illegaler Aktivitäten, die ihr Geschäft schädigen, profitieren.
Gesetz über digitale Dienste Das Gesetz über digitale Dienste gilt für Online-Vermittler, wozu unter anderem Internetdiensteanbieter, aber auch Betreiber von Cloud- und Messaging-Diensten, Marktplätzen oder sozialen Netzwerken gehören. Diese digitalen Dienste übertragen oder speichern Inhalte, die Dritten gehören. Besondere Sorgfaltspflichten gelten für Hosting-Dienste, insbesondere Online-Plattformen, die eine Unterkategorie der Hosting-Dienste darstellen. Zu den Online-Plattformen zählen soziale Netzwerke, Plattformen für das Teilen von Inhalten, App-Stores, Online-Marktplätze sowie Online-Reise- und Unterkunftsvermittlungsplattformen.
Konkrete Inhalte:
• Vorschriften für die Entfernung illegaler Waren, Dienstleistungen oder Inhalte aus dem Internet;
• Schutzvorkehrungen für Nutzer, deren Inhalte von Plattformen irrtümlicherweise gelöscht werden;
• neue Pflichten für sehr große Plattformen, die risikobasierte Maßnahmen ergreifen müssen, um den Missbrauch ihrer Systeme zu verhindern;
• weitreichende Transparenzmaßnahmen, auch in Bezug auf Online-Werbung und die Algorithmen, mit denen den Nutzern Inhalte empfohlen werden;
• neue Befugnisse zur Untersuchung der Funktionsweise der Plattformen, dazu werden Forscher Zugang zu wichtigen Plattformdaten erhalten;
• neue Vorschriften für die Nachverfolgbarkeit gewerblicher Nutzer auf Online-Marktplätzen, um Verkäufer illegaler Waren oder Dienstleistungen leichter aufspüren zu können;
• ein innovativer Kooperationsprozess zwischen den Behörden, um eine wirksame Durchsetzung im gesamten Binnenmarkt zu gewährleisten.
Quelle: EU-Kommission
Unlauteren Wettberwerb verhindern
Das DMA nimmt die oben schon genannten Torwächter in den Blick und soll unlauteren Wettbewerb verhindern. "Diese Plattformen haben erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt, dienen als wichtiges Zugangstor, über das gewerbliche Nutzer ihre Kunden erreichen (…). Dadurch können sie so mächtig werden, dass sie (…) selbst die Regeln bestimmen", heißt es in der Pressemitteilung zum Gesetzespaket.
Das Gesetz soll große Online-Plattformen davon abhalten, ihre Marktmacht zu missbrauchen, indem sie zum Beispiel andere Wettbewerber von der Datennutzung abschneiden. Es enthält harmonisierte Vorschriften zur Definition und zum Verbot von unlauteren Praktiken und sieht einen Durchsetzungsmechanismus sowie Geldstrafen in Höhe bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes vor.
Gesetz über digitale Märkte Das Gesetz über digitale Märkte wird nur für Großunternehmen gelten, die nach den im Vorschlag festgelegten objektiven Kriterien als Torwächter eingestuft werden. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die im Binnenmarkt aufgrund ihrer Größe und ihrer Bedeutung als Zugangstor, über das gewerbliche Nutzer ihre Kunden erreichen, eine besonders wichtige Rolle spielen. Diese Unternehmen kontrollieren mindestens einen sogenannten zentralen Plattformdienst (wie Suchmaschinen, soziale Netzwerke, bestimmte Nachrichtenübermittlungsdienste, Betriebssysteme und Online-Vermittlungsdienste) und haben eine dauerhafte große Nutzerbasis in mehreren Ländern in der EU.
Konkrete Inhalte:
• Das Gesetz soll nur für die großen Anbieter der zentralen Plattformdienste gelten, die für unlautere Praktiken am anfälligsten sind, z. B. Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Online-Vermittlungsdienste, soweit sie den objektiven gesetzlichen Kriterien für eine Einstufung als Torwächter entsprechen;
• quantitative Schwellenwerte als Grundlage für die Ermittlung mutmaßlicher Torwächter festlegen. Die Kommission wird zudem befugt sein, Unternehmen nach einer Marktuntersuchung als Torwächter einzustufen;
• eine Reihe eindeutig unlauterer Praktiken verbieten, z. B. dürfen die Nutzer nicht daran gehindert werden, eine vorinstallierte Software oder App zu deinstallieren;
• Torwächter zur proaktiven Ergreifung bestimmter Maßnahmen verpflichten, z. B. gezielter Vorkehrungen, damit Software Dritter ordnungsgemäß funktioniert und mit ihren eigenen Diensten zusammenwirken kann;
• Sanktionen für Verstöße vorsehen, darunter mögliche Geldbußen in Höhe von bis zu 10 Prozent des weltweiten Umsatzes eines Torwächters, um die Wirksamkeit der neuen Vorschriften zu gewährleisten. Im Wiederholungsfall könnten diese Sanktionen auch die Verpflichtung umfassen, strukturelle Maßnahmen zu ergreifen, die sich sogar auf die Veräußerung bestimmter Geschäftsbereiche erstrecken können, wenn es keine andere ebenso wirksame Alternative gibt, um die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen;
• der Kommission die Möglichkeit geben, gezielte Marktuntersuchungen durchzuführen, um zu beurteilen, ob neue Torwächterpraktiken und dienste aufgenommen werden müssen, damit die neuen Torwächter-Bestimmungen mit der raschen Entwicklung der digitalen Märkte Schritt halten.
Quelle: EU-Kommission
Handwerk fordert Nachbesserung
Das vorgelegte Gesetzpaket der EU-Kommission sei ein wesentlicher Schritt, um sicherzustellen, dass kleine und mittlere Unternehmen eine faire Chance in der Plattformökonomie haben, sagt Holger Schwannecke. "Unsere Betriebe brauchen einen fairen Zugang zu Plattformdaten im Geschäftsbereich", betont der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Eine Liste, die unfaire Geschäftspraktiken verbietet, sei eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Innovationen gefördert werden und Märkte offenbleiben.
An der Wirksamkeit der Marktüberwachung zweifelt Schwannecke allerdings: "Fälle von Marktversagen kann man mit seiner Hilfe zwar erkennen, um aber gegen diese vorgehen zu können, reicht das Instrument nicht aus." Im weiteren Gesetzgebungsprozess müsse es diesbezüglich Nachbesserungen geben.
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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