Wer den Schritt in die Selbstständigkeit plant, hat zwei Möglichkeiten: Entweder neu zu gründen oder einen bestehenden Betrieb zu übernehmen. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass die zweite Möglichkeit Potenzial hat: 125.000 Handwerksbetriebe suchen in den nächsten Jahren eine Nachfolge, schätzt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Laut Institut für Mittelstandsforschung sind es bis 2026 sogar 190.000 – also 38.000 Übergaben pro Jahr.
Laut Report der DIHK zur Unternehmensnachfolge aus dem Jahr 2023 möchten etwa die Hälfte der Inhaber ihren Betrieb am liebsten an Familienmitglieder oder Mitarbeiter aus dem Unternehmen übergeben. Das trifft jedoch laut KfW-Nachfolge-Monitoring immer seltener die Zukunftspläne der nachfolgenden Generation. Die andere Hälfte plant, den Betrieb an Externe abzugeben. Da lohnt es sich, die Vor- und Nachteile einer Betriebsübernahme einmal genauer zu betrachten.
Welche Vorteile bringt die Betriebsübernahme?
Bei einer Neugründung dauert es in der Regel einige Jahre, bis sich das Unternehmen etabliert hat und gute Erträge abwirft – dafür haben Gründer Zeit, mit den Anforderungen zu wachsen. In der Nachfolge geht es gleich in die Vollen: Die Nachfolger müssen von Tag eins an ihr kaufmännisches und handwerkliches Können beweisen. Dafür übernehmen sie einen Betrieb, der seine laufenden Kosten bereits verlässlich erwirtschaftet. Sie bauen auf einen festen Kunden- und Lieferantenstamm, ein eingespieltes Team und auf bewährte Abläufe. Räumlichkeiten, Ausstattung, Inventar: alles vorhanden.
Welche Risiken bestehen?
Mit dem Schritt in die Selbstständigkeit ist oft der Wunsch nach mehr Gestaltungsfreiheit verbunden. Wo bei der Neugründung alle Optionen offen stehen, schränkt eine Betriebsübernahme stärker ein: Bestehende Strukturen geben zunächst die Richtung vor. In jeder Belegschaft gibt es Gewohnheiten, die nicht so leicht veränderbar sind, ohne Widerstand zu erzeugen. Außerdem geht die Nachfolge mit Verpflichtungen einher: Die Höhe der Gehälter steht fest, genauso wie z.B. Lieferantenverträge, behördliche Auflagen, Steuern, Verbindlichkeiten und Haftungsrisiken.
Wo finden Interessierte eigentlich den passenden Handwerksbetrieb?
Zentrale Ansprechpartner sind zum Beispiel die IHKs (Industrie- und Handelskammern), Branchenverbände oder die vom Bundesministerium für Wirtschaft geförderte Plattform nexxt-change.org. Aber natürlich ist auch die beratende Bank über die Verhältnisse vieler Kundenbetriebe gut informiert und kann Kontakte vermitteln.
Foto: © TARGOBANK AG"Beim Firmenkauf steht für viele natürlich der Preis an erster Stelle. Denn einen Betrieb zu übernehmen, bedeutet meist einen höheren finanziellen Aufwand als neu zu gründen. Aber die Investition lohnt sich in den meisten Fällen – dank schnellerer Rentabilität und einer höheren Erfolgswahrscheinlichkeit. Die Höhe des Kaufpreises ist immer auch eine Frage Ihres Verhandlungsgeschicks. Holen Sie sich dafür unbedingt eine professionelle Beratung ein."
Maren Mölleken-Telinde, Bereichsleiterin Geschäftskunden, Targobank
Kaufen, pachten, erben – was ist sinnvoll?
Es gibt verschiedene Formen der Betriebsübernahme: eine Schenkung, die Pacht oder den Kauf. Schenkungen kommen meist innerhalb der Familie vor. Das Ifo-Institut verweist in seinem Stimmungsmonitor 2023 auf die Besonderheiten der Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Nachfolger sollten sich hier rechtzeitig professionellen Rat einholen.
Die Pacht kommt infrage, wenn der oder die Inhaber noch nicht bereit ist, den Betrieb schon abzugeben. In diesem Fall muss nicht der Gesamtpreis finanziert werden, stattdessen wird ein monatlicher Betrag an den Betriebsinhaber gezahlt. Der Betrieb geht nicht in den Besitz über, kann aber vollumfänglich genutzt werden.
Beim Kauf wechselt das Eigentum mit allen Wirtschaftsgütern, Forderungen und Verbindlichkeiten zum Nachfolger oder der Nachfolgerin – entweder mit einer Einmalzahlung oder in Form einer lebenslangen Rentenzahlung an die Vorgänger.
Gründer sollten sich über die individuellen rechtlichen und steuerlichen Aspekte der jeweiligen Übertragungsform beraten lassen. Auch die Rechtsform spielt eine wichtige Rolle.
Was gibt es beim Kaufpreis und der Finanzierung zu beachten?
Wie Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung zeigen, ist für Betriebsübernahmen oft mehr Kapital notwendig als für Neugründungen. Die Inhaber überschätzen häufig den Wert ihres Unternehmens und wollen einen hohen Preis erzielen. Gründer möchten sich hingegen bei ihrem Start in die Selbstständigkeit finanziell nicht übernehmen. Der Kaufpreis ist damit Ergebnis mitunter langer Verhandlungen.
Bei einer Betriebsübernahme spielt die Bank bei der Beratung und Finanzierung eine Schlüsselrolle. Öffentliche Finanzierungshilfen müssen über die Bank und noch vor der Übernahme beantragt werden. Fördergelder decken dabei gewöhnlich nicht die gesamte Finanzierung ab, weshalb Gründer Eigenmittel oder ein Bankdarlehen benötigen. Ein überzeugender Businessplan ist dabei ein guter Einstieg.
Checkliste: Entspricht der Betrieb
den Vorstellungen?
Diese Fragen helfen weiter:
✔️ Wie steht es um den Ruf, was spricht für den Standort?
✔️ Welchen Kundenstamm hat der Betrieb?
✔️ Wie sieht der Markt aus, wie das Wettbewerbsumfeld?
✔️ Ist das Unternehmen wirtschaftlich gut und zukunftsfähig aufgestellt, wo kann ich einsparen?
✔️ Wie ist der Zustand der Ausstattung, wieviel muss ich investieren?
✔️ Passt der Kaufpreis zur Ertragskraft?
✔️ Wie hoch ist die Anzahl der Mitarbeitenden und wie steht es um deren Qualifikation?
✔️ Gefällt mir die Unternehmenskultur?
✔️ Welche Verträge bestehen? Gibt es Rechtsstreitigkeiten, Schutzrechte oder Lizenzen?
Fazit
Markteintritt Pro: geht schneller – es gibt bereits einen Markt und Kundenstamm für die Dienstleistung oder das Produkt; Contra: Einbringen eigener Ideen und Weiterentwicklung der Marke oft langwieriger als bei Neugründung
Finanzierung Pro: schnellere Profitabilität durch bekannte Erträge und Erfolgsbilanzen; Contra: höherer finanzieller Aufwand als bei Neugründung, ggf. lange Verhandlung über Unternehmenswert und Kaufpreis
Unternehmerische Freiheit Pro: schneller Überblick über Verbesserungsmöglichkeiten und Ausspielen aller Kompetenzen ab Tag eins; Contra: Rücksicht auf bestehende Strukturen und Unternehmenskultur
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Text:
Claudia Stemick /
handwerksblatt.de
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