Viele Baustellen für das NRW-Handwerk
Bei der Vollversammlung des WHKT beschrieb Präsident Berthold Schröder die Lage im nordrhein-westfälischen Handwerk. Bauminmisterin Ina Scharrenbach diskutierte mit den Handwerkvertretern und erhielt im Anschluss die höchste Auszeichnung des WHKT.
Sowohl das vergangene als auch das laufende Jahr stelle das nordrhein-westfälische Handwerk vor viele Herausforderungen, berichtete Berthold Schröder bei der Frühjahrsvollversammlung des Westdeutschen Handwerkskammertags (WHKT). Der Präsident des WHKT sprach von "zahlreichen Baustellen" und nannte die hohen Energie- und Materialpreise und die hohe Inflation, mit denen die Betriebe zu kämpfen haben. Besonders betroffen sei der Bausektor. Die Krise dort drücke die Stimmung im Handwerk merklich.
"Zwar waren im Herbst die Auftragsbücher größtenteils noch gut gefüllt, aber angesichts der einbrechenden Zahl an neuen Baugenehmigungen ist ein baldiger Stillstand im Wohnungsneubau zu befürchten, vielerorts ist dieser Stillstand sogar schon erreicht", so Schröder. Im letzten wie auch aktuell sei die wachsende Bürokratiebelastung ein bestimmendes Thema im Handwerk. Hier ergreife die Politik zwar Maßnahmen, sie blieben aber weit hinter dem Notwendigen zurück. "Hier wird deutlich, dass wir dringend mehr Tempo machen müssen beim Bürokratieabbau."
Bürokratieabbau und Fachkräftesicherung
Schröder forderte mehr Vertrauen in unternehmerisches Handeln und schlug vor, einen Beauftragten für Bürokratieabbau für NRW einzusetzen. Das Projekt des NRW-Bauministeriums "Bürokratie am Bau. Ciao!" sei ein erster Erfolg. Hierüber können Praktiker Vorschriften melden, die sie für verzichtbar halten. Ein zweiter Schwerpunkt für dieses Jahr müsse auf der Fachkräftesicherung liegen. "Nach wie vor haben unsere Betriebe große Schwierigkeiten, offene Lehrstellen zu besetzen."
Eine Maßnahme zur Verbesserung der Situation sei die im Rahmen des Ausbildungskonsenses NRW vereinbarte Praktikumsinitiative, um das schulische Übergangssystem an den Berufskollegs zu verschlanken. Schröder: "Bisher konnten schon einige zusätzliche Praktikumsplätze eingeworben werden. Allerdings hat sich gezeigt, dass die Konzeption der Praktika – also ein Tag in der Woche für einen Zeitraum von 30 Wochen – in der Praxis schwer umsetzbar ist. Idealerweise sollten die Praktika flächendeckend blockweise durchgeführt werden. Hier sollte noch einmal nachjustiert werden."
Es gibt auch gute Nachrichten
Aber es gebe auch gute Nachrichten: Dazu gehöre die Einführung der kleinen Bauvorlagenberechtigung für Handwerksmeister, dies sei ein klarer Erfolg für das Handwerk. Ebenfalls erfreulich sei, dass der Nachhaltigkeitscheck in der Praxis sehr gut ankomme. Als kostenfreies Beratungsinstrument, unterstützt es Betriebe, zu Verbesserungen beim Thema Nachhaltigkeit zu kommen. "Nachdem das Instrument schon länger in den Betriebsberatungen der nordrhein-westfälischen Handwerkskammern benutzt wird, soll der Check jetzt auch bundesweit starten." Das Interesse der Kammern in ganz Deutschland sei sehr groß.
Auch der von der Landesregierung vorgelegte Handwerksbericht zeige die Erfolge bei der Interessenvertretung, etwa bei der Meisterprämie. Der Bericht zeige aber auch, dass bei der Modernisierung der Berufsbildungsstätten noch viel zu tun sei. Die Landesregierung habe erkannt, dass die Situation für das Handwerk nicht einfach sei und sie an verschiedenen Stellen unterstützend wirken muss, sagte NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU). Die Einführung der kleinen Bauvorlagenberechtigung sei hier eine Maßnahme.
Digitale Förderplattform für NRW
Die "riesige Umbauaufgabe" in Verbindung mit der Klimawende sei ohne das Handwerk nicht zu schaffen. Die Regierung müsse hier ebenso wie die Betriebe Probleme in den Bereichen wie Mobilität, Digitalisierung, Informationssicherheit lösen. Plan der Politik sei es, möglichst viele Verwaltungsleistungen digital und medienbruchfrei zur Verfügung zu stellen und die Anträge besonders für Unternehmen nutzerfreundlicher zu gestalten. Perspektivisch sollen Anträge, die digital eingereicht werden, weniger Bearbeitungsgebühren kosten als analog eingereichte Anträge.
Nordrhein-Westfalen entwickle aktuell eine digitale Förderplattform, um die Programme für die Antragsteller übersichtlicher zu bündeln. Dabei sei es das Ziel, das Once-only-Prinzip so weit es möglich ist anzuwenden. Angaben sollen demnach nur einmal zu machen sei, und danach automatisch zur Verfügung stehen. Ein Problem dabei seien über 5.000 Register in Deutschland, die nicht miteinander verbunden seien. Diese Hürden seien im Rahmen der Registermodernisierung zu überwinden, aber das sei eine Mammutaufgabe.
Bürokratie abbauen, Baukosten senken
Scharrenbach versprach, in ihrem Zuständigkeitsbereich möglichst viel Bürokratie abbauen zu wollen. Deswegen werde zum Beispiel die Solaranlagenverordnung sehr bürokratiearm angesetzt. Im Rahmen des Projekts "Bürokratie am Bau. Ciao!" gibt es laut Scharrenbach bereits über 200 Rückmeldungen. "Damit kann man gut arbeiten. Es sind sehr substanzielle Eingaben dabei." Ein Innovationsausschuss soll sie prüfen und die Ergebnisse an die Baukostensenkungskommission weitergeben.
In keinem anderen Land der EU sei es so schwierig zu Wohneigentum zu kommen als in Deutschland. Eine Senkung der Grunderwerbsteuer in NRW sei angesichts der angespannten Haushaltslage keine Option, um dagegen anzugehen. Sie wolle prüfen, ob eine Ratenzahlung bei Grunderwerbsteuer zugelassen werden kann. Denkbar sei gegebenenfalls auch, dass der Steuersatz beim Kauf eines Bestandsgebäudes mit einem bestimmten Alter gesenkt werden kann. Ein anderer Ansatz könnten Bürgschaften der NRW-Bank seine, um die Eigenkapitalhürden für Käufer niedriger anzusetzen. Zudem könnte der Bund darüber nachdenken, Hypothekenzinsen für das selbst genutzte Eigentum abzugsfähig zu machen.
Ehrenzeichen des Handwerks in NRWWHKT-Präsident Berthold Schröder zeichnete im Rahmen der Vollversammlung Bauministerin Ina Scharrenbach mit der höchsten Auszeichnung des WHKT aus – dem Ehrenzeichen des Handwerks in NRW. Die Ministerin erhielt die Ehrung für ihre Verdienste im Zusammenhang mit der Unterstützung der Bewältigung der Flutkatastrophe im Jahr 2021, den wichtigen Schritten beim Abbau von Bürokratie am Bau in NRW, der Digitalisierung und Beschleunigung von Prozessen in Genehmigungsverfahren sowie vor allem den neuen Chancen, die sich durch kleine Bauvorlagenberechtigung in zahlreichen Betrieben des Handwerks ergeben.
"Seit Jahrzehnten setzen wir uns dafür ein, dass Handwerksmeisterinnen und -meister neben Architektinnen und Architekten sowie Ingenieurinnen und Ingenieuren die Berechtigung erhalten, Bauvorlagen erstellen und einreichen zu dürfen. Sie, Frau Ministerin Scharrenbach, haben diesen Meilenstein maßgebend umgesetzt und damit nicht nur effizienzsteigernde Möglichkeiten bei der Bauplanung und Ausführung für alle am Bau Beteiligten geschaffen, sondern damit gleichfalls dazu beigetragen, dass wir bei der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung einen wichtigen Schritt weiterkommen", so Schröder in seiner Laudatio.
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Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
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