Mehr Tierwohl während der gesamten Lebensspanne der Tiere ist das Ziel des geplanten Umbaus der deutschen Nutztierhaltung.

Mehr Tierwohl während der gesamten Lebensspanne der Tiere ist das Ziel des geplanten Umbaus der deutschen Nutztierhaltung. (Foto: © dolgachov/123RF.com)

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Bessere Nutztierhaltung: offene Fragen bei der Umsetzung

Das Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium will die Nutztierhaltung in Deutschland umbauen und das Tierwohl verbessern. Das Fleischerhandwerk sieht bei der konkreten Umsetzung noch viele Unklarheiten.

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) setzt sich für einen Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland ein. Das erklärte Ziel ist mehr Tierwohl während der gesamten Lebensspanne der Tiere bei einer verlässlichen uns nachhaltigen Finanzierung der Landwirte und höherer gesellschaftlicher Akzeptanz. Sowohl im Stall als auch auf der Wiese gebe es mehr Tierwohl aber nicht zum Nulltarif, stellt die Ministerin klar. Das System der Tierhaltung müsse sich deshalb ändern. Dazu hatte Klöckner zunächst das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung (Borchert-Kommission) eingesetzt. Sie sollte ein Konzept zur Weiterentwicklung der Tierhaltung erstellen. Nachdem die Kommission das Konzept vorgelegt hatte, übernahm eine Rechtsanwaltkanzlei die Machbarkeitsstudie zu den Vorschlägen der Kommission und deren rechtlicher Konformität. Die Ergebnisse der Studie liegen jetzt vor.

Die Borchert-Kommission empfiehlt dem Ministerium in einem 20-seitigen Papier einen umfassenden Umbau der Nutztierhaltung mit Anpassung der förder-, bau- und umweltrechtlichen Rahmenbedingungen bis zum Jahr 2040. "Die Verbesserung der Nutztierhaltung kostet Geld", heißt es in den Empfehlungen. Eine größere gesellschaftliche Akzeptanz und ein damit verbundenes Preisbewusstsein könnten nicht allein mit marktbasierte Maßnahmen geschaffen werden. Der Staat solle deswegen Tierwohlprämien und Investitionsförderungen auszahlen. Dafür schlägt die Kommission mehrere Finanzierungsoptionen vor und favorisiert eine "mengenbezogene Abgabe auf tierische Produkte", also eine als Tierwohlabgabe bezeichnete Verbrauchssteuer.

Es geht um das Wie

LinksHier finden Sie die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung.

Hier finden Sie die Machbarkeitsstudie zur rechtlichen und förderpolitischen Begleitung einer langfristigen Transformation der deutschen Nutztierhaltung.
Die auf das Empfehlungspapier bezogene Machbarkeitsstudie ist 286 Seiten stark und zeigt, welche der vorgeschlagenen Finanzierungs- und Förderempfehlungen für den Umbau der Nutztierhaltung auf nationaler und europäischer Ebene rechtlich möglich sind. Klar sei, dass hohe Kosten ausgeglichen werden müssten. Zu rechnen seien mit insgesamt 11,2 Milliarden Euro bis 2040. Der Studie zufolge stehen den Empfehlungen der Borchert-Kommission keine Bedenken entgegen. "Es liegen nun mehrere, rechtlich geprüfte Vorschläge auf dem Tisch, wie wir die Tierhaltung in Deutschland umbauen und finanzieren können. Es geht nicht um das Ob – es geht um das Wie", betont Klöckner und lädt zum Dialog über die genaue Gestaltung ein.

In der künftigen Ausgestaltung lägen viele Gefahren, die dazu führen können, dass die Ziele nicht erreicht, sondern sogar behindert werden, sagt der Deutsche Fleischer-Verband. Für ihn bleiben noch zu viele Fragen offen. Grundsätzlich begrüße das deutsche Fleischerhandwerk "alle Maßnahmen, die eine bestmögliche Tierhaltung sicherstellen und fördern". Doch die vorgelegte Machbarkeitsstudie beschäftige sich in erster Linie mit der Frage, wie eine bessere Tierhaltung finanziert werden kann. "Bevor man sich damit beschäftigt, ist es jedoch unverzichtbar, zunächst einen gesellschaftlichen Konsens darüber herzustellen, wie Nutztierhaltung künftig gestaltet sein soll", fordert der Verband. Er sieht ein Spannungsfeld zwischen den vielfältigen Kriterien einer guten Tierhaltung und der Frage nach der Bezahlbarkeit der Produkte. Viele Verbraucher achteten vor allem auf den Preis.

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Übermäßige Bürokratie vermeiden

Für das Fleischerhandwerk ist noch unklar, wie die konkrete Umsetzung des Umbaus aussehen kann. Dazu gebe es offene Fragen mit Blick auf Abgabeerhebung und -verteilung. Der Verband befürchtet, dass mit der Umsetzung ein bürokratischer Mehraufwand einhergehen könnte verursacht durch Dokumentationspflichten und Kontrollen. Es bestehe die Möglichkeit, dass dieser Mehraufwand schon einen großen Teil der Finanzmittel auffressen könnte. "Das Geld käme denn den angestrebten Maßnahmen gar nicht zugute." Auf regionaler Ebene seien schon jetzt höhere Tierschutzstandards möglich. Darauf sei bei den nächsten Schritten zu achten.

"Meist zahlen Fleischer an die Landwirte einen höheren Preis, um genau dieses Ziel zu erreichen. Die Verbraucher können sich im Fachgeschäft direkt über die konkrete Arbeitsweise informieren." Bei der Umsetzung dürfe der Staat nicht auf falsche Vorgaben oder übermäßige Bürokratie setzen und damit schon bestehende Strukturen zu schwächen. "Wird das versäumt, werden der weiteren Konzentration und Industrialisierung der Lebensmittelproduktion Vorschub geleistet. Dem Tierschutz wäre damit ein Bärendienst erwiesen."

Text: / handwerksblatt.de