Unfall mit Gerüst? Chef muss zahlen
Da hätte man eigentlich auch von selbst drauf kommen können! Ein Handwerksmeister aus dem Stuttgarter Raum war damit beauftragt worden, die Fassade eines zweistöckigen Wohnhauses zu renovieren. Zu diesem Zweck hatte ein Gerüstbauunternehmen vorher an der Nordseite des Gebäudes ein Gerüst errichtet, auf dem der Meister und seine Mitarbeiter nun die Arbeiten durchführen sollten.
Und dann passierte es: Der Hauseigentümer fragte den Meister während der Durchführung der Arbeiten an der Nordseite, ob es ihm nicht auch zufällig möglich wäre, an der Südseite des Hauses – selbstverständlich gegen eine üppige Extrabezahlung – die marode Dachrinne zu entfernen und eine neue einzubauen. Das Problem: Auf der Südseite befand sich kein Gerüst, das stand ja nur an der Nordseite des Hauses!
Da der Umbau auf die Südseite durch die Gerüstbaufirma für das alleinige Wechseln der Dachrinne zu kostspielig und zeitaufwendig schien, entschloss sich der Handwerker in seiner Not zu einer folgenschweren Lösung: Auf seine Anweisung hin bauten zwei Mitarbeiter – ohne Wissen der Gerüstbaufirma – Teile des Gerüstes an der Nordseite ab und errichteten ein provisorisches Gerüst auf der Südseite.
Grundsätzliche Regeln
Und dann kam es, wie es kommen musste: Da dieses Gerüst unfachmännisch aufgebaut war, stürzte ein Mitarbeiter wegen eines schlecht montierten Geländerholms aus vier Metern in die Tiefe und erlitt schwere Verletzungen. Für diese muss der Handwerksmeister nun zum großen Teil einstehen. Das Oberlandesgericht in Stuttgart (OLG Stuttgart – Aktenzeichen: 6 U 56/08) kannte nämlich keine Gnade und sprach bei seinem Urteil zudem einige grundsätzliche Regeln für solche Fälle aus: Wer eigenmächtig Gerüste, die eine andere Firma errichtet hat, um- oder abbaut, haftet für sämtliche Schäden, die sich aus diesem Um- oder Abbau ergeben.
Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn Mitarbeiter oder sogar andere Personen auf diesen Gerüsten anschließend zu Schaden kommen. Dies ergebe sich, so das OLG Stuttgart, aus den allgemeingültigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), wonach derjenige, der auf einem fremden Grundstück ein "Werk" errichtet, für dieses Werk auch haften müsse. Und darunter falle eben auch ein provisorisches Gerüst, da auch dies mit dem Grundstück des Hausbesitzers fest verbunden sei und der Meister es für die ihm aufgetragenen Arbeiten habe nutzen wollen.
Haftung der Gerüstbaufirma entfällt
Eine Haftung der Gerüstbaufirma entfalle hingegen. Denn diese Firma habe zum einen von der eigenmächtigen Handlung gar nichts gewusst. Im Übrigen müsse sich der Handwerker durch den Teilaufbau des anderen Gerüsts aber auch wie ein eigenständiger Gerüstbauer behandeln lassen. Letztlich treffe auch den Hausbesitzer an dem ganzen Vorgang kein Verschulden, da ihm eine Verletzung von Sorgfaltspflichten nicht vorgeworfen werden könne.
Er habe den Handwerker lediglich darum gebeten, die Dachrinne zu reparieren. Wenn sich der Handwerker dann damit einverstanden erklärt und für die Durchführung den eigenmächtigen und vor allem unrechtmäßigen Weg wähle, trage er auch die Konsequenzen im Falle des Misslingens.
Fazit
Hände weg von fremden Gerüsten oder Arbeitsgeräten, auch wenn sich dadurch scheinbar ein "gutes Geschäft" realisieren lässt. Der Handwerksmeister aus Stuttgart bezahlt seinen Alleingang durch den tragischen Sturz des Arbeiters gleich doppelt und dreifach. Wie gesagt, da hätte man eigentlich auch von selbst drauf kommen können, denn Missgeschicke passieren bekanntlich immer dann, wenn man sie am allerwenigsten brauchen kann.
Text:
Winfried Schwabe /
handwerksblatt.de
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