Bundeskanzler Olaf Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz (Foto: © photothek.net/Köhler & Imo)

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Scholz: "Berufliche Bildung noch attraktiver machen!“

Handwerkspolitik

Für den Mittelstand läuft es derzeit nicht gut. Im Interview mit dem Handwerksblatt beschreibt Bundeskanzler Olaf Scholz, wie er die Lage für das Handwerk verbessern möchte.

Bundeskanzler Olaf Scholz im Interview: Wie Bürokratieabbau, die Wachstumsinitiative, gesenkte Strompreise und eine Stärkung der beruflichen Bildung das Handwerk voranbringen sollen.

Hinweis der Redaktion: Das Interview fand im August statt - also noch vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen.

DHB: Erst kürzlich beklagte das Handwerk, ZDH-Präsident Jörg Dittrich, in einem Interview eine "sehr eigene Sicht auf die Dinge" durch Bundeskanzler Olaf Scholz, die es schwierig mache, einen Konsens zur Lösung anstehender Probleme zu finden. Wie sehen Sie das? 
Scholz: Ich tausche mich regelmäßig mit den Spitzen der deutschen Wirtschaft aus – auch mit dem ZDH-Präsidenten Dittrich. Diese Gespräche sind mir sehr wichtig, weil wir sie offen führen. Da wird nichts beschönigt. Wir brauchen die enge Partnerschaft zwischen Wirtschaft und Politik. Mein Ziel ist, dass alle wieder mit mehr Zuversicht nach vorne blicken können. Dazu gehört für mich übrigens auch, dass möglichst viele junge Frauen und Männer sich dafür entscheiden, eine Ausbildung im Handwerk zu wählen, auch um an einer lebenswerten Zukunft mitzubauen.

Die Herausforderungen sind doch allen klar: Über Jahre wurde zu wenig investiert, nötige strukturelle Reformen in unserem Land wurden ausgesessen. Fehlende Arbeitskräfte, bezahlbare Energie, der Kampf gegen zu viel Bürokratie – das sind die Baustellen, die deswegen ganz bewusst im Zentrum meiner Arbeit stehen.

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Gerade haben wir im Kabinett eine Wachstumsinitiative beschlossen, die Investitionen der Privatwirtschaft anreizen, Bürokratie verringern und Arbeit attraktiver machen wird. Außerdem arbeiten wir weiter Hand in Hand mit den Ländern daran, Verfahren auf allen Ebenen unseres Staates schneller zu machen. Wir haben den Schlendrian-Modus hinter uns gelassen und machen jetzt Tempo bei der Modernisierung unseres Landes.

DHB: Für das Handwerk ist das Strompreispaket mit seinen Entlastungen etwa durch die Senkung der Stromsteuer und die Stabilisierung der Netzentgelte ein erster Schritt in die richtige Richtung. Nur fallen nach wie vor energieintensive Handwerke wie die Textilreiniger oder das Kfz-Gewerbe durchs Raster. Ist hier noch mit Nachbesserungen zu rechnen?
Scholz: Infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine sind die Energiepreise weltweit explodiert. Das ist leider die Ausgangslage, die wir nicht außer Acht lassen dürfen. Die Bundesregierung hat weitreichende Entscheidungen getroffen, um diese Auswirkungen abzudämpfen. Auch dadurch ist die Situation am Strommarkt heute deutlich entspannter als noch vor ein oder zwei Jahren. Die Strompreise bei neuen Stromverträgen liegen heute oft unter dem Niveau von vor der Krise.

Klar ist aber auch, dass die Stromkosten für viele Unternehmen eine Belastung sind. Daher haben wir in der Wachstumsinitiative beschlossen, das Strompreispaket für das produzierende Gewerbe zu verstetigen und auszuweiten. Das heißt, dass die Stromsteuer stark abgesenkt bleibt – von 15,37 Euro auf 50 Cent pro Megawattstunde. Das gilt für das produzierende Gewerbe und in der Landwirtschaft. Das gibt sehr vielen Betrieben und Unternehmen Sicherheit – in der Planung und bei den Investitionen und entlastet sie erheblich. Alle Betriebe profitieren zudem massiv davon, dass die EEG-Umlage weggefallen ist. All das wird auch das Handwerk und insbesondere stromintensive Unternehmen bei den Stromkosten deutlich entlasten.

DHB: Konsens herrscht grundsätzlich, dass akademische und berufliche Bildung gleichwertig sind. Dennoch fehlt eine gesetzliche Verankerung, zum Beispiel in einem Deutschen Qualifikationsrahmen-Gesetz (DQR). Ist überhaupt mit einer entsprechenden Gesetzesinitiative zu rechnen?
Scholz: Die Ausbildungsberufe sind für unsere Gesellschaft von enormer Bedeutung. Das merken wir alle spätestens, wenn wir selbst auf der Suche nach einem freien Handwerkertermin sind. Dem hohen Stellenwert der beruflichen Bildung hat die Bundesregierung bereits mit der Verbesserung des Berufsbildungsgesetzes Rechnung getragen. Das System ist jetzt transparenter, da es drei aufeinander aufbauende Fortbildungsstufen für die höher qualifizierende Berufsbildung gibt.

Dadurch wird deutlich, dass berufliche Fortbildung und Studium gleichwertig sind. In Zeiten zunehmender Arbeiterlosigkeit war auch die Mindestvergütung für Auszubildende ein wichtiger Schritt. Ich bin sehr dafür, dass wir die berufliche Bildung noch attraktiver machen. Das hängt allerdings nicht nur mit der Frage der Berufsbezeichnungen zusammen, sondern auch mit der allgemeinen Wertschätzung, guten Löhnen und Ausbildungsinhalten. 

DHB: Auch in finanzieller Hinsicht gibt es deutliche Unterschiede für Menschen in akademischer und beruflicher Ausbildung, etwa beim BAföG, bei Wohnraum oder Studententickets. Scheitert eine finanzielle Gleichstellung an den Mitteln oder ist auf absehbarer Zeit zumindest mit einer Verbesserung zu rechnen?
Scholz: Es geht natürlich um Verbesserungen und Weiterentwicklung. Deshalb haben wir erst vor Kurzem das Aufstiegs-BAföG reformiert. Konkret heißt das: Wer sich nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung weiterbildet, soll von kommendem Jahr an mehr Geld bekommen. Wir wissen auch darum, wie schwer es ist, eine preiswerte Wohnung zu finden – vor allem in Ballungsräumen. Deshalb haben wir zum Beispiel das Sonderprogramm "Junges Wohnen" geschaffen. Unser Ziel ist es, über das Programm auch 2025 wieder 500 Millionen Euro aufzuwenden, damit mehr Wohnheimplätze zur Verfügung stehen.

Ich freue mich, dass einige Länder auch beim Thema Mobilität Auszubildende bedacht haben und Azubi-Tickets anbieten. Das ist nicht Sache des Bundes – trotzdem hoffe ich, dass solche Angebote Schule machen. Mit dem Deutschland-Ticket haben wir bundesweit eine preiswerte Möglichkeit geschaffen, den ÖPNV zu nutzen. 

DHB: Seit 17 Jahren gibt es bereits die Exzellenzinitiative für die Deutschen Hochschulen, im Koalitionsvertrag der Ampel ist eine Exzellenzinitiative Berufliche Bildung festgeschrieben, und mittlerweile gibt es im Bundesbildungsministerium ein Eckpunktepapier dafür. Ist mit einer Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode zu rechnen?
Scholz: Das Bundesbildungsministerium treibt die Exzellenzinitiative berufliche Bildung voran. Wir bündeln hier viele sinnvolle Initiativen zur Berufsorientierung, für bessere Aufstiegs- und Weiterbildungschancen und zur internationalen Vernetzung. Das ist auch sehr wichtig, denn der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen für unser Land. Ich freue mich, dass das deutsche Handwerk da selbst vorangeht und mit dem Kampagnenmotto "Zeit, zu machen" viele neue Auszubildende gewinnt. Gerade läuft auch der "Sommer der Berufsausbildung" – Ministerien, Behörden, Wirtschaft und Gewerkschaften werben gemeinsam für die berufliche Ausbildung in Deutschland. Auch die bereits angesprochene Verbesserung beim Aufstiegs-BAföG ist Teil der Exzellenzinitiative.

DHB: Eine der wichtigsten Forderungen ist der Bürokratieabbau, den die Bürger, aber vor allem die Betriebe verspüren. Es liegen Listen mit Vorschlägen zur Streichung vor, aber passiert ist immer noch nichts, auch das Bürokratieentlastungsgesetz ist erst einmal in der parlamentarischen Sommerpause. Gibt es eine konkrete Deadline, ab wann die versprochene Bürokratieentlastung startet und sie dies auch tatsächlich spüren?
Scholz: Tatsächlich haben sich über Jahrzehnte viele Vorschriften und Verordnungen angehäuft. Da müssen wir ran! Ich weiß, dass gerade Handwerkerinnen und Handwerker in erster Linie anpacken wollen. Und da dürfen wir nicht Steine in den Weg legen, sondern müssen ihre Arbeit leichter machen. Genau das tun wir. Wir schauen uns Vorschriften und Verordnungen an und überprüfen, was kann weg.

Und es tut sich wirklich was: Mit dem Paket für Bürokratieentlastung und einigen weiteren Gesetze sorgen wir nun dafür, dass unsere Betriebe und Unternehmen Kosten von mehr als drei Milliarden Euro pro Jahr sparen. Und mehr noch: Die Bundesregierung hat beschlossen, nun jedes Jahr Bürokratie-Abbaugesetze vorzulegen. Betriebe werden dafür konkrete Vorschläge über ein Online-Portal einreichen können. Schließlich wissen sie selbst am besten, wo es hakt. Weniger "Papierkram" ist für uns eine Daueraufgabe. Wir wollen sicherstellen, dass der Papierkram insgesamt weniger wird.

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Text: / handwerksblatt.de

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