Bühne frei für das Handwerk
Der Generalintendant des Saarländischen Staatstheaters Bodo Busse spricht im Interview über den Zusammenhang zwischen Kunst und Handwerk.
Kunst kommt von Können, findet der Generalintendant des Saarländischen Staatstheaters Bodo Busse. Im Interview zeigt er Brücken zwischen Bühnenkunst und Handwerk auf und berichtet darüber, welche Bühnenrequisite aus Handwerkerhand ihn bis heute im Alltag begleitet.
DHB: Herr Busse, was haben Bühnenkunst und Handwerk aus Ihrer Sicht gemeinsam?
Busse: Bühnenkunst ist Handwerk. Ob es jetzt die klassischen herstellenden beziehungsweise serviceorientierten Handwerkberufe in den Werkstätten sind wie Schlosserei, Schreinerei, Malersaal, Schneiderei, Maske, Requisite und Bühnentechnik oder auch Gesang, Schauspiel und Tanz. Alle produzierenden oder darstellenden Bereiche der Bühnenkunst setzen je unterschiedliche, spezifische Techniken des Produzierens, Herstellens, Darstellens voraus. Ohne das wäre Kunst gar nicht denkbar. Es klingt banal, aber es stimmt: Kunst kommt von Können. Auch im Gesang oder im Tanz spricht man beispielsweise von einer bestimmten Gesangs- oder Tanztechnik. So kann man mit klassischer Gesangstechnik Mozart perfekt singen, Rossini braucht die Belcanto-Methode und bei Wagner muss man den dramatischen Gesang beherrschen. Der klassische Tanz setzt andere Körpertechniken voraus wie Modern Dance oder Gaga. Auch im Bereich des Orchesters ist jedes Musikinstrument mit einer eigenen Spieltechnik verbunden. Mit je spezifischer Technik unterscheiden sich aber auch Schlosserei und Malersaal. Alle diese handwerklichen Fertigkeiten kann man nur in fachspezifischen Ausbildungen auf Berufsfachschulen, technischen beziehungsweise künstlerischen Hochschulen oder Universitäten erlernen.
DHB: Welche Handwerke werden gebraucht, damit eine Produktion im Saarländischen Staatstheater gut über die Bühne gehen kann?
Busse: Es sind zunächst einmal, wie bereits erwähnt, die klassischen handwerklichen Bereiche, die sich auch in der Vielfalt der Theaterwerkstätten widerspiegeln. Durch deren Zusammenspiel überhaupt erst ein Bühnenbild entstehen kann: durch Schlosserei, Schreinerei, Malersaal. Die Interaktion dieser verschiedenen Werkstätten wird geplant und koordiniert von einer Werkstättenleitung, die oftmals auch durch ingenieurwissenschaftliche Fachkompetenz fundiert ist. Auch statische Konstruktion und Architektur spielen hier rein, wie auch Maschinenbau und Robotik. Damit ein Bühnenbild in seinen Einzelteilen dann auf der Bühne montiert werden kann, braucht es Bühnenhandwerk, Lichtgestaltung, Maschinistik und vor allem viel Man- beziehungsweise Womanpower, um das Konstruierte zu dynamischem Leben auf der Bühne zu erwecken. Dafür sind zahlreiche verschiedene bühnentechnische Berufe nötig: Bühnentechniker*innen, Seitenmeister*innen, Bühnenmeister*innen und Maschinist*innen. Dazu kommen Sicherheitsinspektor*innen und weitere Funktionsträger für die Arbeitssicherheit in den verschiedenen technischen Bühnenbereichen. Damit dann aber auch ein Mensch (Sänger*in, Schauspieler*in, Tänzer*in) in Kostüm und Maske auf der Bühne performen kann, braucht es handwerkliche Fachbereiche wie Schneiderei, Maske, Ankleide- und Garderobendienst. Ganz zu schweigen von den szenischen Servicebereichen wie Regieassistenz, Spielleitung, Soufflage, Inspizienz etc.
DHB: Nennen Sie uns drei Gründe, weshalb die Arbeit am Saarländischen Staatstheater für Handwerkerinnen und Handwerker besonders attraktiv ist.
Busse: Die Handwerksberufe am Saarländischen Staatstheater sind besonders kreativ mit immer neuen Herausforderungen und Ergebnissen. Die Handwerksberufe am Saarländischen Staatstheater sind kollektiv miteinander im Produktionsprozess vernetzt und deshalb gleichberechtigt voneinander abhängig. Die Handwerksberufe am Saarländischen Staatstheater dienen der Kunst als einem Gemeinschaftswerk, das sich immer erneuert, immer Magie erzeugt, für jeden Beteiligten Identität und letztlich Transzendenz schafft, also keine Konsum- oder Industriegüter.
DHB: Welche Kompetenzen und Eigenschaften sollten handwerkliche Fachkräfte mitbringen, die für das Saarländische Staatstheater tätig werden möchten?
Busse: Grundsätzlich braucht es natürlich ein Interesse und eine Offenheit für Kunst und den emotionalen, kreativen Prozess mit Künstler*innen. Dann ein spezifisches handwerkliches Interesse, das über den eigenen Tellerrand hinausblicken kann. Man sollte gern im Team arbeiten wollen, eine liberale Einstellung haben auch für angespannte Produktionsphasen und ungewöhnliche Belastungsszenarien, die natürlich im Rahmen des allgemeinen Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht bleiben sollten. Eine aufgeschlossene, kommunikative Art im kollegialen Umgang ist sicherlich hilfreich. Die beste und grundlegendste Voraussetzung jenseits der fachhandwerklichen Kompetenz ist die Liebe für Theater, Musik, Tanz und Gesang. Wer selber nicht den Zauber eines sich öffnenden Vorhangs nachvollziehen kann, ist am Theater falsch.
DHB: Gibt es ein handwerklich gefertigtes Werkstück, ein Kostüm, eine kunstvolle Frisur oder ein Bühnenelement aus Tischlerhand, das Sie im Laufe Ihrer Karriere besonders beeindruckt hat und würden Sie uns darüber berichten?
Busse: Ich erinnere mich an einen langen Holztisch aus einer Produktion einer Mozart-Oper an einem meiner früheren Theater. Die Abmessung in Länge, Breite und Höhe war so perfekt, dass ich darin den perfekten Esszimmertisch gesehen habe. Ich erwarb ihn später und habe ihn heute noch. Einige, die an diesem Tisch saßen, haben das Tischtuch gehoben und wollten wissen, welchen Fabrikats der robuste Tisch denn sei. Nein − es war kein Designerfabrikat aus Edelholz, sondern ein wunderbares Schreinerstück aus den Werkstätten eines Theaters.
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Text:
Sarah Materna /
handwerksblatt.de
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